Unternehmensmitbestimmung in der Diakonie Deutschland?

So wohl kaum!

Schenkt man den Veröffentlichungen des Verbandes glauben, dann hat soeben die Diakonie die Unternehmensmitbestimmung in ihren Einrichtungen etabliert.

Die Konferenz Diakonie und Entwicklung hat am letzten Donnerstag in Nürnberg jedoch lediglich eine Verbandsempfehlung zur Unternehmensmitbestimmung verabschiedet. Damit wolle man die unternehmerische Mitwirkung der Beschäftigten stärken, war zu vernehmen.

Das verabschiedete Papier sieht vor, dass diakonische Einrichtungen ab einer Größe von 500 Mitarbeitenden diese durch eine Vertretung im Aufsichtsorgan an der Arbeit des Gremiums beteiligen.

Die Mitarbeitenden an der Führung der Einrichtungen zu beteiligen, „ist gerade für die Diakonie vor dem Hintergrund unseres kooperativen und konsensorientierten Leitbildes naheliegend“, so Vorstandsmitglied Jörg Kruttschnitt von der Diakonie Deutschland: „Die Unternehmensmitbestimmung fördert letztlich die Wirtschaftlichkeit und verantwortungsvolle Führung unserer Mitgliedseinrichtungen“.

Drängt sich die Frage auf, warum eine derart naheliegende Regelung erst jetzt beraten und warum die Einführung halbherzig lediglich als Empfehlung und nicht verbindlich gestaltet wurde.

In wenigen großen Einrichtungen (z.B. Dachstiftung Diakonie, Diakovere, …) sind Vertreter der ArbeitnehmerInnen in den Aufsichtsgremien vertreten. Doch in der überwiegenden Zahl der Betriebe (91%) die noch keine Beteiligung hat, lehnt laut einer Umfrage des Verbandes Diakonischer Dienstgeber VdDD eine Beteiligung der ArbeitnehmerInnen in ihren Aufsichtsgremien ab. Hier wird die Verbandsempfehlung folglich keine Wirkung entfalten.
Der Verbandführung sind diese Umstände bekannt, doch sie passen nicht in das gepflegte Selbstbild. So fabuliert der Vorstand Finanzen, Personal, Organisation, Recht und Wirtschaft der Diakonie Deutschland Dr. Jörg Kruttschnitt in einem Interview auf der eigenen Website weiter: „In der Diakonie gibt es bereits seit langem auf verschiedenen Ebenen Mitwirkungsmöglichkeiten für Mitarbeitende. Zum einen können die Mitarbeitenden bereits seit 1952 durch Mitarbeitervertretungen bei betrieblichen Belangen mitbestimmen. Zum anderen gibt es die gleichberechtigte Beteiligung an der Arbeitsrechtssetzung. Lediglich auf der Unternehmensebene, der Mitbestimmung in Aufsichtsgremien, gibt es Nachholbedarf.“

Eine in Anbetracht der Wirklichkeit in Realitätsverlust begründete Einschätzung. Wohl kaum, sie entspricht eher gezielter Propaganda in dem Versuch die Realität umzudeuten.

Betriebliche Mitbestimmung?

In der Tat hatten kirchliche Vertreter 1952 bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes zur Legitimation des in § 118 vollzogenen Geltungsausschlusses für die Kirchen getönt, die Kirchen würden die betriebliche Mitbestimmung in ihren eigenständigen kirchenrechtlichen Regelungen besser und weitreichender als im staatlichen Geltungsbereich gestalten. Doch wie die Geschichte zeigt, sind die kirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetze über die Qualität schlecht – weil nur unvollständig -abgeschrieben staatlicher Gesetze hinausgewachsen. Eine verbindliche, wirkungsvolle Beteiligung in Gestaltungsangelegenheiten ist den Mav´en unter Anwendung der Mitarbeitervertretungsgesetze verwehrt. Wie nun die gefeierte Unternehmensmitbestimmung, ist auch die betriebliche Einigungsstelle, als Grundlage für eine echte Mitbestimmung, lediglich auf freiwilliger Basis vorgesehen und damit in der betrieblichen Realität nicht existent.

 

Gleichberechtigte Beteiligung an der Arbeitsrechtssetzung?

Die Absurdität dieser Behauptung wird durch die aktuelle „Schlichtung“ ganz ohne Arbeitnehmerbeteiligung deutlich. Siehe auch unsere Meldung „Tür auf für Tarifverträge“  https://ag-mav.org/2017/10/13/tuer-auf-fuer-tarifvertraege-in-der-diakonie/

 

Unternehmensmitbestimmung

Um die jetzt geschaffene Regelung einordnen zu können, ist ein Vergleich mit dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelG) und dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) anzustellen.

Das Drittelbeteiligungsgesetz muss von Betrieben mit über 500 ArbeitnehmerInnen angewandt werden und garantiert den ArbeitnehmerInnen ein Drittel der Plätze im Aufsichtsrat. Ab einer Betriebsgröße von mehr als 2000 Beschäftigten sind die Hälfte der Mitglieder durch ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften zu besetzen.

Die verabschiedete Verbandsempfehlung hat einen längeren Vorlauf. Bereits 2012 hat die Bundeskonferenz, in der vom Rat der EKD eingesetzten Arbeitsgruppe zur Novellierung des Mitarbeitervertretungsgesetzes, die Einführung der Unternehmensmitbestimmung in diakonischen Betrieben gefordert. Bei der MVG Novelle 2013 wurde die Normierung jedoch aus der Vorlage gestrichen und die Diakonie Deutschland beauftragt bis 2018 eine Regelung zu schaffen.

Diese liegt nun mit der Verbandsempfehlung vor. Das sie zu einer tatsächlichen verbreiteten Einführung der Unternehmensmitbestimmung führen wird, ist nicht anzunehmen. Dies ist, so muss man annehmen, wohl auch nicht gewollt. So ist es nur Konsequent, wenn nach dem Motto „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, keine durchschlagend wirksame Regelung beschlossen wird. Lediglich eine Empfehlung, die so die Diakonie eine Orientierung geben soll. Sicherlich auch ganz im Sinne des Verbandes Diakonischer Dienstgeber (VdDD) der noch niederschwelliger, eine nur werbende Lösung im Diakonischen Corporate Governance Kodex* (DCCK) wollte.

 


*  Der 2016 unter Beteiligung der Diakonischen Werke und Einrichtungen überarbeitete Kodex beschreibt wesentliche Grundlagen zur beabsichtigten Stärkung der diakonischen Einrichtungskultur, insbesondere durch die Optimierung der Leitung und Überwachung diakonischer Einrichtungen.

Diakonischer Corporate Governance Kodex* (DCCK) zum download    >> hier

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