Mäßiger Lohnanstieg in Deutschland und Europa
Die gute Nachricht: In Deutschland und Europa steigen die Reallöhne, allerdings nur leicht. Doch weil gleichzeitig die Inflation von einem extrem niedrigen auf ein normales Niveau zurückgekehrt ist, bleibt davon in vielen Ländern preisbereinigt nicht viel übrig, dies belegt die am Donnerstag in Düsseldorf veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
„Die Lohnspreizung ist einer der wesentlichen Einflussfaktoren für die gesamtgesellschaftliche Ungleichheit“
Wie aus dem Europäischen Tarifbericht weiter hervorgeht, ist der Abstand zwischen niedrigen und mittleren Löhnen in der Bundesrepublik größer als in den meisten anderen nord- und westeuropäischen Staaten. Darin spiegelt sich nach der WSI-Analyse „die trotz Einführung des Mindestlohns weiterhin große Bedeutung des Niedriglohnsektors in Deutschland wider“. Zu einem Niedriglohn arbeiteten 2016 nach OECD-Daten 18,9 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland – das ist nach Irland (22,5 Prozent) und Großbritannien (19,3 Prozent) der dritthöchste Wert in Westeuropa und deutlich mehr als beispielsweise in Finnland (7,1 Prozent) oder Belgien (4,6 Prozent).
Von soliden Zuwächsen bei den Tariflöhnen kommt im Niedriglohnbereich mangels Tarifbindung nur ein Teil an. Um europaweit auf einen „nachhaltigen und inklusiven Wachstumspfad zu kommen und die Ungleichheit zu bekämpfen“, sei eine höhere Reichweite von Tarifverträgen unerlässlich, schreiben die WSI-Forscher Dr. Malte Lübker und Prof. Dr. Thorsten Schulten in ihrem Bericht.
Im europäischen Vergleich ergibt sich dazu nach Analyse der Experten ein eindeutiger Befund: Länder mit geringer Lohnungleichheit – allen voran Schweden, Belgien, Finnland und Dänemark – erreichen dies durch eine hohe Tarifbindung und starke Zentralisierung der Tarifverhandlungen.
Demgegenüber deutlich höher ist die Lohnungleichheit in den Ländern Osteuropas, wo vergleichbare Institutionen für kollektive Lohnverhandlungen fehlen. In Rumänien, Bulgarien und Lettland sind die Gehälter der Besserverdienenden mindestens viermal so hoch wie die der Geringverdiener, verglichen mit einem Faktor von 2,3 in Schweden. Deutschland lag im Jahr 2016 nach OECD-Angaben mit einem Wert von 3,3 im europäischen Mittelfeld.
Bei der Verbreitung von Tarifverträgen in Deutschland stellen die WSI-Forscher große Unterschiede zwischen den Bundesländern fest. So werden nach der Studie in Nordrhein-Westfalen 63 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt, während die Tarifbindung in Sachsen mit 43 Prozent am niedrigsten ist.
Näheres siehe „Neuer Europäischer Tarifbericht des WSI“ >> hier
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