Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 9. März 2016 die Neuberechnung der Startgutschriften* für rentenferne Versicherte erneut für unwirksam erklärt. Die Entscheidung fiel in zwei Urteilen gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Sie ist wegen der gleichen tarifrechtlichen Grundlagen grundsätzlich auch auf die kirchlichen Zusatzversorgungskassen, also auch auf die KZVK Hannover (Detmolt) übertragbar.
Mit den Startgutschriften wurden die aus dem früheren Gesamtversorgungssystem entstandenen Rentenanwartschaften und –ansprüche in das seit 2002 geltende Punktemodell überführt. Dabei kamen zwei Berechnungsmodelle zur Anwendung. Es wurde nach rentennahen und rentenfernen Versicherten differenziert.
Bereits im Jahr 2007 kippte der BGH (BGH IV ZR 74/06) die dabei angewandte Berechnungsformel für die rentenfernen Startgutschriften erstmals und forderte die Tarifvertragsparteien zu einer Neuregelung auf. Den Systemwechsel als solchen billigte er dagegen ausdrücklich.
Der BGH sah die Umrechnung als unwirksam an, weil bestimmte Personengruppen – zum Beispiel Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten – wegen der erforderlichen 44,44 Beschäftigungsjahre von vornherein von der bestmöglichen Versorgung ausgeschlossen waren.
In Reaktion auf diese Entscheidung wurde im Jahr 2012 ein ergänzendes Berechnungsverfahren eingeführt. Dieses sieht unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschlag zu den Startgutschriften vor. Seither wurden viele Rentenkonten überprüft und teilweise auch korrigiert.
Mit den nun ergangenen Entscheidungen hat der BGH auch diese Neuregelung für rechtsunwirksam erklärt. Danach seien die Diskriminierungen der alten Regelung nicht nur nicht beseitigt, sondern durch die neue Regelung sogar verstärkt.
Der BGH forderte daher die Tarifvertragsparteien erneut auf, eine rechtskonforme Regelung zu finden. Wenn eine solche Tarifvereinbarung vorliegt, werden auch die kirchlichen ZVK´en diese in ihr Satzungsrecht aufnehmen und die Startgutschriften aller betroffenen Versicherten automatisch neu feststellen.
Die EZVK Darmstadt und KZVK Hannover erklärten übereinstimmend den Verzicht auf sich aus etwaigen Beschwerde- und Verjährungsfristen ergebenden Einreden. Es müssen also keine Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt werden – weder von Versicherten noch von Rentenempfängern!
Versicherte, Rentnerinnen und Rentner brauchen also nicht selbst aktiv werden.
Erklärung der EZVK >> hier und der KZVK Hannover >> hier.
BGH Urteile Az IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15
*Hintergrund der Startgutschriften ist die Systemumstellung der Zusatzversorgung im Jahr 2001. Die Zusatzversorgungskassen, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder VBL, die kommunalen wie auch die kirchlichen Zusatzversorgungskassen ZVK hatten die Aufgabe, den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes eine Betriebsrente zu gewähren.
Diese Betriebsrente sollte „normale“ Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes dem Versorgungsniveau der Beamten annähern. Bis zum Jahr 2001 war entsprechend das Versorgungssystem von VBL und den ZVK´en als Gesamtversorgungssystem organisiert, bei dem, grob vereinfacht, Arbeitnehmer den Beamten weitgehend gleichgestellt waren und durch die Umlage auf alle Beschäftigungsverhältnisse finanziert wurde. Dieses System wurde 2001 von einem Punktemodell abgelöst, das sich mehr an der Privatwirtschaft und ihrer privaten Betriebsrente orientiert – und entsprechend niedrigere Rentenansprüche hervorbringt als das alte System. Seither erhalten Arbeitnehmer gemäß ihrer Beschäftigungsdauer und ihren Beiträgen Punkte auf ihrem „Konto“ gutgeschrieben, aus denen sich am Ende ihre Rente errechnet.
Die VBL stand vor dem Problem, was mit den Anwartschaften vor 2001 geschehen sollte. Diese mussten vom alten in das neue System übersetzt werden. Zunächst unterschieden die Tarifparteien und mit ihnen die VBL rechtswirksam zwischen sogenannten rentennahen und rentenfernen Versicherten. Für die rentennahen Versicherten – solche, die zum Zeitpunkt der Umstellung 2001 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten – blieb es im Wesentlichen bei der alten Regelung. Für die rentenfernen Versicherten – also alle, die im Jahr 2001 55 Jahre oder jünger waren, wurde eine Übergangsregelung geschaffen.
Hierzu wurde ein Berechnungsmodell zur Errichtung von Startgutschriften eingeführt, nach dem die alten Anwartschaften auf Punkte nach dem neuen System umgerechnet und dem Rentenkonto als Startgutschrift gutgeschrieben wurden. Die im Detail recht komplizierte Umrechnung geht unter anderem davon aus, dass ein Höchstsatz (also die volle Zusatzrente) erst ab einer Beschäftigungsdauer von 44,44 Jahren erreicht werden kann.