Gelebte Sozialpartnerschaft zum Wohle der Mitarbeitenden?

Gehaltsabsenkungen in der ARK DD

Gelebte Sozialpartnerschaft zum Wohle der Mitarbeitenden?

3. Weg -Tarifvertr

Als gelebte Sozialpartnerschaft, „die – zum Wohle der Mitarbeitenden, der Unternehmen und der Zukunftsfähigkeit der Dienste – gestärkt werden sollte“ charakterisierte der Vorstandsvorsitzende des VdDD, Pfarrer Christian Dopheide, anlässlich der Mitgliederversammlung des Verbandes Diakonischer Dienstgeber in Deutschland die „kircheneigene“ Arbeitsrechtssetzung.


In Anbetracht der Realität eine „gewagte“ Einschätzung. Bereits mit unserer Meldung vom 26. April ( >> hier ) berichteten wir über die von den Arbeitgebern in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland ARK DD beabsichtigten abenteuerlichen Absenkungen. Was bedeuten diese nun zur Schlichtung anstehenden Anträge im Detail? Dieser Frage ging der Ra Sven Feuerhahn nach und kam zu folgenden Ergebnissen:

I. Anträge 1 bis 3 – Einführung Anlagen Altenhilfe

1. Einfügung Geltungsbereich Altenhilfe in AVR.DD über § 1 d
Inhalt:

Der Bereich der Altenhilfe soll sowohl für ambulante, stationäre, teilstationäre und sonstige Angebotsformen aus dem sonstigen Geltungsbereich der AVR herausgenommen werden. Der persönliche Geltungsbereich ist so gestaltet, dass Mitarbeitende in Einrichtungen der Altenhilfe, gleich mit welcher Tätigkeit, dem Geltungsbereich unterfallen.
Bedeutung:

Durch die Schaffung eines eigenen Geltungsbereiches Altenhilfe werden die Mitarbeitenden – wie unten ausgeführt – wesentlich schlechter gestellt als andere Mitarbeitende der Diakonie. Es handelt sich hierbei um eine klassische Spartenlösung, die die Beschäftigten im Bereich der Altenpflege gegenüber sonstigen Beschäftigten benachteiligt. Die Regelung wird noch verschärft durch die unten aufgeführten weiteren Verschlechterungen. Auffällig ist, dass der persönliche Geltungsbereich über den Geltungsbereich der 2. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. Pflege ArbbV) hinausgeht. Der dortige Geltungsbereich bezieht sich ausdrücklich nur auf Pflege- und Betreuungskräfte. Durch die Schaffung des persönlichen Geltungsbereiches alle Mitarbeitenden in Einrichtungen der Altenhilfe betreffend wird hier jeder Mitarbeiter in der genannten Bereichen der Sparte unterstellt. Dies gilt auch für Mitarbeitende außerhalb reiner Pflegeeinrichtungen, wenn diese überwiegend für Pflegeeinrichtungen tätig sind (zentrale Verwaltung, etc.).

2. Einfügung einer Anlage „Altenhilfe“

Inhalt:

Die Einfügung dieser Anlage zielt darauf ab, eine Regionalisierung erzielen zu können. Sie bezieht sich dem Grunde nach zunächst auf alle Einrichtungen der Altenhilfe im gesamten Bundesgebiet der Diakonie. Allerdings gilt dies nur, solange keine speziellere Regelung mit gesonderten räumlichen Geltungsbereich gegeben ist. Diese gesonderten räumlichen Regelungsbereiche werden für zahlreiche Länder in einem weiteren Antrag ausgewiesen.

a) Durch die Anlage Altenhilfe wird die Arbeitszeit in diesem Bereich auf 40 Stunden verlängert.

b) Die Pflegezulage und der Kinderzuschlag sollen entfallen.

c) Es wird eine fünfte Entgeltstufe unterhalt der Einarbeitungsstufe eingefügt. Die Stufen werden mit Ziffern anstelle der bisherigen Bezeichnungen benannt. Die Eingangsstufe beträgt nur 90 % des Entgeltes. Die Stufenverweildauer wird in allen Stufen gegenüber der jetzigen Regelung deutlich verschlechtert, so dass die Endstufe von 110 % erst nach 22 !! Jahren erreicht wird.

d) Die Anrechnung förderlicher Zeiten wird deutlich reduziert. Von zurzeit fünf Jahren anrechnungsfähiger Zeit werden diese Zeiten auf sechs Monate in den Entgeltgruppen 1 bis 4 bzw. zwölf Monate in den Entgeltgruppen 5 bis 13 verändert.
e) Die Jahressonderzahlung wird insgesamt auf 25 % eines Monatsentgeltes reduziert. Eine Besitzstandsregelung ist dahingehend vorgesehen, dass Mitarbeitende, die schon beschäftigt werden, in ihrer bisherigen Entgeltstufe verbleiben. Zur Deckung des Personalbedarfes sind eingeschränkt Möglichkeiten zum Vorziehen von Entgeltstufen vorgesehen.
Bedeutung:

Die Regelungen zielen insgesamt darauf ab, Mitarbeitende der Altenpflege massiv zu benachteiligen.

a) Bereits durch die Verlängerung der Arbeitszeit von 39 auf 40 Stunden ergibt sich ein rechnerischer Gehaltsnachteil von rund 2,5 % für die Beschäftigten.

b) Durch den Wegfall der Pflegezulage in den Entgeltgruppen 3 und 4 entsteht für eine Vielzahl von Beschäftigten ein weiterer Schaden in Höhe von 80,00 € brutto pro Monat, weil die Pflegezulage nach § 14 Abs. 2 c AVR.DD nicht mehr gezahlt würde. Die Pflegezulage wurde mit Änderung zum 01.10.2012 bereits für viele Mitarbeitende verschlechtert, weil sie nunmehr erst nach einer Beschäftigungszeit von acht Jahren an die Mitarbeitenden gezahlt wird. Die sich ergebende Verschlechterung ist mit etwa 3 % bis knapp 4 % des Bruttoentgeltes zu bewerten. Sie betrifft ausschließlich Mitarbeitende der Entgeltgruppe 3 und 4 in Pflege und Betreuung, also Pflegehelfer und so genannte Alltagsbetreuer etc. Der Wegfall des in § 19 a AVR.DD geregelten Kinderzuschlages stellt den Wegfall einer ganz wesentlichen Sozialkomponente dar. Für kindergeldberechtigte Mitarbeitende beträgt der Zuschlag zurzeit 90,57 € für jedes Kind. In den unteren Entgeltgruppe E1 bis E4 erhöht er sich für das erste Kind um 5,11 € und für jedes weitere Kind um Beträge zwischen 25,56 € und 15,34 € brutto. Der eintretende Schaden für Mitarbeitende mit Kindern beträgt somit in den unteren Entgeltgruppen etwa 4 %. Wenn mehrere Kinder vorhanden sind, wäre der Schaden entsprechend höher.

c) Durch die Veränderung der Stufenlaufzeiten sowie die Einführung einer Entgeltstufe unterhalb der bisherigen Einarbeitungsstufe für die Entgeltgruppen 5 bis 13 sowie vier Stufen für die Entgeltgruppen 1 bis 4 entstehen quasi über die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit der Mitarbeitenden große Schäden. Diese betragen jeweils wenigstens 5 % des Bruttoverdienstes, solange nicht die nach der Ursprungsregelung an sich erreichte Stufe erreicht ist.
Die Schäden erhöhen sich aber durch die verlängerte Verweildauer in erheblichem Umfang. Dasselbe gilt für die Verkürzung der förderlichen Vordienstzeiten auf sechs Monate bzw. einem Jahr. Hier kommt es zu einer verzögerten Eintrittsmöglichkeit in die jeweils höhere Entgeltstufe. Dabei ist zu beachten, dass zwischen den Stufen jeweils 5 % Einkommensdifferenz liegen.

d) Die Reduzierung der Jahressonderzahlung auf 25 % eines Bruttomonatsentgeltes bedeutet einen rechnerischen Schaden von 75 % eines Bruttomonatsentgeltes und damit rund 6 % des Jahresbruttos. Die Änderungen erschließen sich für weite Teile des Bereiches der Altenpflege nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes aus den Jahren 2009 und 2011 sind Entgelte, die auf kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen oder Tarifverträgen beruhen, grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen. Sie sind in Pflegesatzverhandlungen vollständig zu berücksichtigen und zu refinanzieren. Die Reduzierung der Entgelte führt damit lediglich zu einer (gefühlten) Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitigem wirtschaftlichen Verlust der Mitarbeitenden und Eintritt eines erheblichen Wettbewerbsnachteils im Hinblick auf die Gewinnung von geeigneten Altenpflegekräften.

3. Einfügung einer Anlage Altenhilfe Schleswig-Holstein

Inhalt:

Die Anlage bezieht sich auf Sonderregelungen für die Altenpflege in Schleswig-Holstein. Sie nimmt in wesentlichen Teilen Bestandteile der Anlage 2 auf. Sie sieht für alle Entgeltgruppen lediglich vier Stufen vor, wobei die Stufe 5 mit 110 % gegenüber der Regelung in AVR.DD vollständig entfällt. Die Anlage 3 ist damit als noch weitere Verschlechterung gegenüber der AVR.DD anzusehen. Die beabsichtigte Regionalisierung von Tabellen wird zu weiteren massiven wirtschaftlichen Schäden bei den Beschäftigten führen. Es steht zu befürchten, dass diese Regionalisierung dazu genutzt werden soll, die Bereiche der Diakonie zu disziplinieren, in denen Mitarbeitende zurzeit verhindern, dass regionale Arbeitsrechtliche Kommissionen arbeitsfähig errichtet werden können. Dies gilt beispielsweise für die Bereiche der Diakonie der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und die Diakonie Hessen.

 

II. Antrag 4 – Einführung Ost West Differenzierung

Inhalt:

Die Anlage 4 konkretisiert die Differenzierung zwischen Ost- und Westländern, wobei der gesamte Bereich Berlin nunmehr der Ostregelung unterfällt. Durch die Anlage werden eigene Entgelttabellen als Anlage 2 Ost, Anlage 5 Ost und Anlage 9 Ost geschaffen. Die Arbeitszeit wird durch diese Tabellen in den Ostbereichen auf jeweils 40 Stunden verlängert. Die Stufenverweilzeiten verlängern sich analog den oben beschriebenen Stufenverweilzeiten der Altenpflege. Für den Ostbereich wird gleichfalls eine fünfte Entgeltstufe unterhalb der Einarbeitungsstufe eingeführt. Auch hier sollen die Pflegezulage und der Kinderzuschlag entfallen. Bereits beschäftigte Mitarbeitende sollen eine Besitzstandszulage erhalten, die sich allerdings durch Stufensteigerungen und Höhergruppierungen aufzehrt. Die Jahressonderzahlung soll gleichfalls auf 25 % eines Bruttomonatsentgeltes reduziert werden.

Bewertung:

Es gilt das für den Bereich der Altenpflege beschriebene.

 

III. Antrag 5 – Berufliche Bildung

Inhalt:

Durch Einfügung einer Anlage 16 a „Arbeitsrechtsreglung für Einrichtung der beruflichen Bildung“ soll eine Sparte berufliche Bildung geschaffen werden. Der Geltungsbereich ist beschrieben mit Mitarbeitenden, die in Einrichtungen tätig sind, die der Qualifizierungs- und Beschäftigungsbranche zuzurechnen sind. Insbesondere sollen Einrichtungen umfasst sein, die Aufträge und Maßnahmen nach dem SGB II oder III durchführen oder sonstige Aus- und Weiterbildungsleistungen erbringen.

Durch die Anlage wird eine Vielzahl von Normen der AVR für diese Bereiche ausgenommen. Beispielsweise soll auf eine Jahressonderzahlung vollständig verzichtet werden. Der Kinderzuschlag entfällt gleichfalls. Das Entgelt soll sich ausschließlich nach dem Branchentarifvertrag Weiterbildung zur Regelung des Mindestlohnes für pädagogisches Personal vom 15.11.2011 in der zum Zeitpunkt der Arbeitsrechtsregelung geltenden Fassung bemessen. Die Arbeitszeit wird einheitlich auf 39 Stunden festgeschrieben. Der Urlaub soll einheitlich 29 Tage betragen. Die Altersversorgung wird gegenüber den bisherigen AVR Regelungen massiv reduziert. Ein Durchführungsweg (kirchliche Zusatzversorgung) wird nicht mehr vorgeschrieben.

 

Bedeutung:

Die Regelung führt zur vollständigen Anwendung des Branchentarifvertrages „Weiterbildung“ als nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz allgemein verbindlichen Tarifvertrag. Durch den Tarifvertrag wird lediglich eine Vergütung für den Gesamtbereich geschaffen, die ganz erheblich unter den Vergütungen der Diakonie, beispielsweise für sozialpädagogisch tätige Mitarbeitende etc. liegt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind immens und können schwerlich beziffert werden.

Der Geltungsbereich ist so beschrieben, dass praktisch alle in der Aus- oder Fort und Weiterbildung tätigen Mitarbeitenden dem Geltungsbereich unterfallen würden. Es werden also alle Mitarbeitende in diesem Bereichen massiv schlechter gestellt. Ursächlich für diesen Antrag dürfte sein, dass insbesondere das Unternehmen CJD e. V. (Christliche Jugenddörfer Deutschland) im Wettbewerb um Maßnahmen nach dem SGB II oder SGB III regelmäßig wenig konkurrenzfähig ist, weil andere Bewerber lediglich den Branchenmindestlohn zahlen. Durch die Veränderung wäre allerdings die Diakonie im Hinblick auf Vergütung etc. wie jeder private „Billiganbieter“ in dem Bereich zu bewerten.
IV. Antrag 7 – Wegfall des Kinderzuschlages

Inhalt:

Der Kinderzuschlag soll für Mitarbeitende grundsätzlich entfallen, wobei eine mit oben vergleichbare Besitzstandsregelung vorgesehen ist