Unbilligen Weisungen muss nicht Folge geleistet werden
Nach einer gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG erfolgten Anfrage des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts BAG hält der 5. Senat des BAG nun an seiner arbeitgeberfreundlichen Rechtsauffassung zur Verbindlichkeit von Weisungen des Arbeitgebers nicht länger fest.
Dies bedeutet eine Zäsur in der Rechtsprechungslinie des Fünften Senats. Dieser hatte bisher angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer selbst im Falle einer unbilligen Ausübung des Weisungsrechts, zunächst der Weisung beugen müsste. Zur Klärung der Billigkeit der Weisung blieb dem Arbeitnehmer nur die Option des Rechtswegs über die Arbeitsgerichtsbarkeit.
Der Zehnte Senat äußerte nun die Rechtsauffassung, unbillige Weisungen durch den Arbeitgeber müssten vom Arbeitnehmer nicht befolgt werden.
Der Fünfte Senat hat nun mitgeteilt, er hielte an seiner bisherigen Auffassung nicht länger fest. Siehe Pressemeldung des BAG >> hier
Das Direktions- oder Weisungsrecht des Arbeitgebers
Die wichtigsten Eckdaten des Arbeitsverhältnisses, wie z. B. die Anstellung des Mitarbeiters als Krankenschwester, Erzieherin, oder Verwaltungsangestellte, den Beginn des Arbeitsverhältnisses, den Umfang also Voll- oder Teilzeit usw. sind im Arbeitsvertrag geregelt.
Konkretisierungen, welche Tätigkeiten im Einzelnen zu erledigen sind und zu welchen konkreten Arbeitszeiten der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen hat enthält dieser in aller Regel jedoch nicht.
Hier greift das Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers, welches dem Arbeitgeber erlaubt den abstrakten Inhalt des Arbeitsvertrages im Arbeitsalltag einseitig zu konkretisieren.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers greift also immer dann, wenn konkrete Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung oder per Gesetz nicht vollständig geregelt sind. Die offenen Fragen zu Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung darf der Arbeitgeber dann bestimmen.
Das Kreuz mit dem „billigen Ermessen“
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist aber nicht grenzenlos, denn nach § 106 GewO darf der Arbeitgeber seine Entscheidungen nicht willkürlich, sondern „nach billigem Ermessen“, zu treffen.
Dies bedeutet, er hat auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist also verpflichtet bei allen Arbeitsanweisungen seine eigenen betrieblichen Interessen gegen die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers abzuwägen und einen angemessenen Interessenausgleich zu vollziehen.
Ignoriert der Arbeitgeber die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers oder berücksichtigt er sie nicht angemessen, ist die Weisung unbillig und damit rechtswidrig.
Praktisch relevant ist dies z. B., wie im zugrundeliegenden Fall, bei Versetzungen eines Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort, da diese Arbeitsanweisung gerade bei weit entfernten Arbeitsorten, weitreichende Auswirkungen auf die private Lebensführung des Arbeitnehmers hat. Ähnlich dürfte dies im Falle von Dienstplanänderungen zu bewerten sein.
Risiko bleibt für Arbeitnehmer
Nach der sich ankündigenden Rechtsprechungsänderung durch den 10 Senat zur Verbindlichkeit unbilliger Arbeitsanweisungen können sich Arbeitnehmer also von Anfang an gegen unbillige Anordnungen wehren. Sie müssen diese nicht befolgen, sollten sich jedoch über das Risiko im Klaren sein. Sollte sich später in einem vom Arbeitgeber eingeleiteten Gerichtsverfahren herausstellen, dass die Weisung doch nicht unbillig war, muss der Arbeitnehmer die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses tragen.
BAG, Anfragebeschluss v. 14.06.2017, Az.: 10 AZR 330/16
und BAG, Antwortbeschluss v. 14.09.2017, Az.: 5 AS 7/17
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