BAG stutzt „Selbstbestimmung“ der Kirchen

Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

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Der Chefarzt am St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf hatte nach der Scheidung von seiner ersten Frau ein zweites Mal standesamtlich geheiratet. Daraufhin wurde er 2009 gekündigt, weil die katholische Kirche in der zweiten Eheschließung einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß sieht*.

Er wollte die Kündigung jedoch nicht hinnehmen, seit zehn Jahren wehrt er sich nun und klagte durch alle Instanzen. Nun hat er möglicherweise endgültig recht bekommen.**
Der Fall ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil er erneut die Sonderrechte der Kirchen als Arbeitgeber von etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Bereits im Oktober letzten Jahres hat der 8. Senat des BAG über die Diskriminierung durch nicht Berücksichtigung einer konfessionslosen Bewerberin beim Diakonischen Werk Deutschland entschieden und, wie die Gerichtssprecherin ausführte, damit „das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen neu akzentuiert“. (siehe Meldung >> hier)

Das BAG urteilte nun: Die Kündigung des Chefarztes sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Mit seiner erneuten Heirat verletzte dieser „weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung“ der Kirche, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.  >> hier

Schärfere Vorgaben für Kirchen als Arbeitgeber

Das BAG hat mit seiner Entscheidung den von den Kirchen als „Selbstbestimmung“ interpretierten, in Artikel 140 des Grundgesetzes normierten Sonderstatus, erneut kräftig gestutzt. Den Vorgaben des EuGHs folgend hat nun auch der 2. Senat des BAG den Vorrang des Unionsrechts bestätigt. (siehe Meldung vom 11.09.18 >> hier) Die kirchlichen Arbeitgeber sind zukünftig in der Festlegung ihrer Loyalitätsanforderungen begrenzt.

Auch leitende Mitarbeiter einer katholischen Einrichtung dürfen nur dann nach deren Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandelt werden, wenn dies für die Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellt, so die Erfurter Richter.

Vorrang für Europarecht?

Ob mit der neuerlichen Entscheidung des BAGs der Fall nun abgeschlossen ist bleibt offen. Es gilt abzuwarten ob die katholische Kirche sich, ob der grundsätzlichen Bedeutung, für den erneuten Gang nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Dieses hätte sich dann ein weiteres Mal mit der Tragweite des kirchlichen „Selbstbestimmungsrechts“ zu befassen. Das BVerfG müsste dann die Frage des vom EuGH propagierten absoluten Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, bzw. die dem möglicherweise entgegenstehenden Kontrollvorbehalte in Gestalt der Grundrechts-, Kompetenz- und Identitätskontrolle entscheiden. Also die Frage beantworten ob die bundesdeutsche Verfassung – das Grundgesetz- in seinen Grundsätzen verletzt wird.



* Nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche gilt eine Wiederheirat als ungültige Ehe. Laut Arbeitsvertrag war der Arzt verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten.

** Historie des Falles:

Der Fall des Arztes beschäftigt die Gerichte seit zehn Jahren:

2009 gewann der Mediziner vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht in Nordrhein-Westfalen seine Kündigungsschutzklage. Er berief sich wie die katholische Kirche auf die Verfassung, allerdings auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie.

2011 wies das Bundesarbeitsgericht die Revision des kirchlichen Arbeitgebers gegen die erfolglose Kündigung des Mannes zurück. Die kath. Kirche rief das Bundesverfassungsgericht an.

2014 stärkte das Bundesverfassungsgericht den Sonderstatus der Kirchen und schickte den Fall an die Bundesarbeitsrichter in Erfurt zurück.

2016 wandte sich das BAG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser sollte beurteilen, ob es europäisches Recht zulässt, dass ein kirchlicher Arbeitgeber unterschiedliche Loyalitätsanforderungen an seine Mitarbeiter stellt. Entscheidung >> hier

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