Als das größte Problem in der Wohnungslosenhilfe wird der mangelnde Wohnraum angegeben. Dies teilte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG W auf ihrer Bundestagung vom 08. – 11. November 2023 mit.
„Der fehlende bezahlbare Wohnraum ist und bleibt der Hauptgrund für die Wohnungsnot in Deutschland: Deutsche wie nicht-deutsche Wohnungslose können daher nicht angemessen mit eigenem bedarfsgerechtem Wohnraum versorgt werden“, äußerte BAG W Geschäftsführerin Werena Rosenke, „Mit 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr – wie von der Ampelregierung versprochen – kann dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen nicht ausreichend entgegengesteuert werden. Benötigt wird ein Wohnungsbestand mit dauerhaften Sozialbindungen. Deswegen muss die Bundesregierung – wie beim Wohnungsgipfel im Kanzleramt angekündigt – die Neue Wohngemeinnützigkeit jetzt einführen.“
Ebenfalls die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK) sieht den umkämpften Wohnungsmarkt als eins der schwerwiegenden Probleme an. In Niedersachsen stieg die Zahl der wohnungslosen Personen von 268.000 im Jahr 2021 auf 447.000 Personen in 2022 an. Dies ist ein Anstieg um rund 179.000 Personen, einhergehend mit dem zu deckenden Mehrbedarf an Hilfeleistungen.
„Die Wohnungssituation ist geprägt von hohem Konkurrenzdruck verschiedener Personengruppen wie Geflüchteter, Alleinerziehender und Familien mit vielen Kindern“, so LAK Geschäftsführer Klaus-Dieter Gleitze, „ Gefordert wird unter anderem eine Erhöhung des Bestandes an Sozialwohnungen in Niedersachsen um mindestens 100.000, eine Ausweitung von Housing-First-Modellen für Wohnungs- und Obdachlose, ein Mietpreisstopp und gegebenenfalls eine Mietabsenkungen für Arme. Zudem sei ein Ausbau von Beratungs-, Informations- und Hilfsstrukturen für Menschen mit wenig Geld dringend geboten.
Zur Problembekämpfung ist die rot – grüne Landesregierung Niedersachsens dabei eine eigene Wohnungsbaugesellschaft auf den Weg zu bringen. Wenn sich daraus die Schaffung von tatsächlich bezahlbarem Wohnraum mit Anbindung an soziale Hilfestrukturen, auch für wohnungslose Personen ergeben, würden, wäre dies eine sehr positive Entwicklung. Denn Sozialarbeiter aus Einrichtungen für Wohnungslose berichten, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt für ihre Zielgruppe tatsächlich „dramatisch“ schlecht ist, und es ist oft kaum möglich, Menschen im regulären Wohnungsmarkt unterzubringen.
Diesen Mangel verdeutlichen auch die statistisch erfassten Angaben zur Wohnungslosigkeit. Der erhöhte Hilfebedarf und damit verbundene Leistungsdruck schlagen sich auf die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und seine Beschäftigten nieder.
Rund 372.000 wohnungslose Personen laut Statistischem Bundesamt
Im Frühjahr 2020 trat das Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG) in Kraft. Durch dieses Gesetz wurde erstmalig die Erfassung von wohnungslosen Personen staatlich geregelt. Vom verantwortlichen Statistischen Bundesamt werden die Personen erfasst, welchen wegen Wohnungslosigkeit Wohnräume überlassen oder Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt worden sind.
Das Bundesamt veröffentlich hierzu eine jährliche Statistik. Am Stichtag 31. Januar 2023 wurden rund 372 000 institutionell untergebrachte Personen erfasst. Begleitend der jährlichen Statistik sieht das Gesetz alle zwei Jahre eine erweiterte Berichterstattung vor. Diese umfasst temporär privat untergebracht Personen sowie diejenigen welche ohne jede Unterkunft sind. >> Statistisches Bundesamt – Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen
Das Gesetz trägt zu einer deutlichen Verbesserung der Datenlage bei und wird rundweg begrüßt. Für den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge ist dies nur „der erste Schritt hin zu einer erst noch zu entwickelnden Wohnungsnotfall – Berichterstattung“, so der wissenschaftliche Vereins-Referent Rolf Jordan, „Perspektivisch muss es das Ziel sein, auch Daten über bedrohten Wohnraum zu erheben, um den Bedarf an Hilfen zur Prävention von Wohnungsverlusten einschätzen zu können.“
Rund 607.000 wohnungslose Personen laut der BAG Wohnungslosenhilfe
Im Rahmen der Bundestagung veröffentliche die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) ihre jährliche Hochrechnung zur Erfassung wohnungsloser Personen. In die Hochrechnung fließen die Gesamtwerte der Jahre 2021 und 2022 sowie die Stichtagswerte vom 30. Juni beider Jahre ein. Zudem werden in dieser temporär privat untergebracht Personen sowie diejenigen welche ohne jede Unterkunft miterfasst.
Dieses Gesamtbild ergänzt die Erfassung des Statistischen Bundesamt und bildet eine deutliche höhere Personenzahl ab. Eine gestiegene Nachfrage bei den Beratungsstellen und Einrichtungen für Wohnungslose unterstreichen den größer werdenden Hilfebedarf. BGA W Bundestagung >> Aktuelles Hochrechnungsergebnis
Rundfunk-Tipp:
Deutschlandfunk Kultur hat am 18.11. ein Feature gesendet, welches das Thema Obdachlosigkeit ebenfalls behandelt. Das Feature berichtet von Familien in einer Notunterkunft und ihrem Umgang mit dem existenziellen Problem der Wohnungslosigkeit.
Das Feature wurde mit dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet.
Den Link zum Feature gibt es >>>hier