Presseberichte schaffen Verwirrung
Für allgemeine Empörung und mediale Beachtung sorgt das von der niedersächsischen Pflegekammer gewählte Handling des Beitragseinzugs. Alle Mitglieder der Pflegekammer erhalten zunächst einen Beitragsbescheid für das 2.Halbjahr 2018 in Höhe von 140 Euro.
Dies entspricht dem Höchstbeitrag von 280 Euro jährlich und wird nach der Beitragsordnung der Pflegekammer jedoch erst ab einem Jahreseinkommen von 70.000 Euro fällig. Der Beitrag bemisst sich auf 0,4 % der um die Werbungskosten bereinigten Jahresbruttovergütung. Also zweifelsfrei in der Regel deutlich weniger als nun von der Pflegekammer beschieden.
Es ist völlig unstrittig, dass der weitaus überwiegende Teil der Beitragsbescheide fehlerhaft ist. Auf Anfrage der FDP bestätigte die Landesregierung, dass die große Mehrheit der Kammermitglieder nicht über ein Jahreseinkommen von 70.000 Euro verfüge. Laut niedersächsischem Sozialministerium liegt das Jahreseinkommen von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegern in Niedersachsen im Schnitt zwischen 30.000 und 40.000 Euro.
Warum Regelbescheid über Höchstbeitrag?
Wer sich an die nicht unbedingt reibungslose, noch längst nicht abgeschlossene, Prozedur der Registrierung und holpernde Wahl der Kammerversammlung erinnert, erahnt die Beweggründe der Verantwortlichen.
Es hätte sicherlich erheblichen Zeit- und Verwaltungsaufwand, mit mehrfachen Anschreiben, Erinnerungen und Aufforderungen, bedurft, vorab die für die Beitragsbemessung erforderlichen Angaben zum Einkommen von den Mitgliedern zu erhalten.
Diese sind nun nahezu genötigt, mittels der dem Beitragsschreiben beigefügten Selbstauskunft, der Pflegekammer ihr Jahreseinkommen mitzuteilen. Wollen sie nicht den überhöhten Beitrag zahlen, müssen sie innerhalb von 4 Wochen dem Bescheid widersprechen. Der in der Presseberichterstattung unterstellte erforderliche Nachweis über den aktuellen Steuerbescheid, kann in den Bereich der Märchen und Fabeln verwiesen werden. Zukünftig sollen jährlich ca. 10 % der Beitragsbescheide eingehender geprüft werden. Bis dahin sollen die Angaben der Mitglieder der Beitragbemessung zugrundegelegt werden.
Pro und Contra Widerspruchsverfahren
Der Zwang zum Handeln und der Aufwand liegt also nun bei den Mitgliedern. Wer den Bescheid nicht beachtet, oder den Aufwand scheut, wird also letztlich den Höchstbeitrag zahlen, im Äußersten über Vollstreckung.
Ähnlich wie in der der noch zu führenden Debatte um dieÄnderung des Transplantationsgesetzes, stellt sich die Frage nach der Zumutbarkeit der Widerspruchslösung.
Eine Werbung für die ohnehin in der Kritikstehende um Anerkennung bemühte Pflegekammer ist diese Praxis sicherlich nicht. Viele der zur Zwangsmitgliedschaft verurteilten Beschäftigten der Pflegeberufe fühlen sich nicht unbedingt wertgeschätzt und fragen sich, wie kann eine Institution, die vorgibt meine Interessen vertreten zu wollen, so mit mir umgehen?
Die amtierende Kammerpräsidentin hat eine gänzlich andere Sichtweise und entgegnet: „Wir verzichten sogar auf die grundsätzliche Vorlage von Einkommensnachweisen und bringen mit der Selbsteinstufung unseren Mitgliedern ein hohes Maß an Vertrauen entgegen.“
Nähere Informationen siehe auch Pressemitteilung der Pflegekammer hier
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