Entstehung von Urlaubsansprüchen während der Kurzarbeit

Der Verband Diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) hat in einem Rundschreiben seine Mitglieder über seine Sicht der rechtlichen Situation zu Urlaubsansprüchen während der Kurzarbeit informiert.

Welche Meinung vertritt der VdDD?

Der VdDD bezieht sich in seiner Begründung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Urteil vom 8. November 2012 (C-229/11) und ein Urteil des Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm vom 30. August 2017 (5 Sa 626/17). Soweit sich der Arbeitsumfang durch Kurzarbeit vorübergehend auf weniger Arbeitstage in der Woche verringere, sei der Urlaubsanspruch neu zu berechnen (analog zur Teilzeit). Sofern Kurzarbeit Null angeordnet sei, stehe der Arbeitnehmer nicht anders als bei einem Arbeitsverhältnis, das im Laufe des Urlaubsjahres erst begonnen oder geendet habe. Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null könne erfolgen, soweit diese für ganze Monate bestehe.

Der VdDD behauptet, dass unter diesen Voraussetzungen die Arbeitgeber*innen die Möglichkeit haben, den Urlaubsanspruch im Rahmen von Kurzarbeit anteilig kürzen zu können. Gleichzeitig verweist er aber darauf, dass ein Rechtsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann. Da zu dem Sachverhalt noch keine nationale abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.

In diesem Zusammenhang bezieht der VdDD auch Stellung zum dem Thema Höhe des Urlaubsentgeltes. Dazu bezieht er sich auf die Entscheidung des EuGH am 13. Dezember 2018 (C- 385/17), dass die Urlaubsvergütung, die eine Arbeitnehmer*in für den unionsrechtlich geregelten Mindestjahresurlaub bekommt, dem normalen Arbeitsentgelt entsprechen müsse, auch wenn im Referenzzeitraum Kurzarbeit geleistet wurde.

Welche Meinung vertritt der ag-mav Vorstand?

Die zitierte EuGH-Entscheidung (und auch die LAG-Entscheidung aus 2017) besagt zunächst nur, dass eine Vereinbarung in einem Sozialplan, in dem geregelt wird, dass es für Kurzarbeit keinen Urlaub gibt, europarechtskonform ist. Von daher ist schon einmal fraglich, ob diese genannten Urteile überhaupt auf die derzeitige Situation in den diakonischen Einrichtungen angewendet werden können, zumal hier keine Sozialpläne, sondern nur Dienstvereinbarungen zur Kurzarbeit abgeschlossen wurden. Es gibt keine generelle Regelung, die vorsieht, dass in Zeiten von Kurzarbeit Null der Urlaub zu kürzen wäre. Der VdDD sieht selbst eine Rechtsunsicherheit – veröffentlicht trotzdem seine Rechtsauffassung. Auf wessen Schultern wird dann wohl in den Einrichtungen der Streit ausgetragen? Auf Kosten der Arbeitnehmer*innen sowie im Streit mit der Mitarbeitervertretung. Wir sind erstaunt, dass der VdDD in Zeiten, wo vertrauensvolle Zusammenarbeit, Solidarität und gemeinsames Handeln wichtig ist, eine solche Information an seine Mitgliedseinrichtungen verschickt.

Wie kann die MAV reagieren?

Falls Arbeitgeber*innen auf die Idee kommen sollten, Arbeitnehmer*innen den Urlaubsanspruch zu kürzen, empfehlen wir den Mitarbeitervertretungen:

  • Sich mit obigen Argumenten (vertrauensvolle Zusammenarbeit, Solidarität, Fachkräftemangel, nicht einschlägige Rechtsprechung) an die Arbeitgeber*in und die Betriebsöffentlichkeit zuwenden
  • Zu beschließen, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen
  • Alle Arbeitnehmer*innen sollten schriftlich Widersprechen

Fazit

Kennt ihr alle die Aussage: „Erkenne den rechten Zeitpunkt“? Dieses Zitat von Pittakos von Mytilene ist den Autoren des Rundbriefes des VdDD leider nicht bekannt. Wir wollen hoffen, dass die Arbeitgeber*innen dieses Zitat kennen oder von selbst darauf kommen, dass auch die Arbeitnehmerschaft in diesen Zeiten stark gebeutelt ist und nicht noch um einzelne Urlaubstage gestritten werden sollte.