Die 13. ver.di Krankenhaustagung fand vom 10. – 11. November 2022 in Berlin statt. An der Tagung nahmen rund 300 betriebliche Interessenvertreter:innen teil. Diskutiert wurde über Umbrüche und Veränderungen in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen, sowie über die Herausforderungen für Gewerkschaft und Interessenvertretungen.
Kritik am Mitspracherecht des Finanzministers und der Krankenhausfinanzierung
Den Auftakt bereitete die Gewerkschafterin Sylvia Bühler, sie äußerte sich zur Personalbemessung und dem Gesetzentwurf der Regierung. „Es ist absurd, die Personalvorgaben unter den Vorbehalt der Zustimmung von Herrn Lindner zu stellen, den ich bisher nicht als Gesundheitsexperten erlebt habe“, sagte Bühler. „Sollte es tatsächlich an ihm scheitern, dann ziehen wir nach Berlin vors Finanzministerium.“
Die Struktur der Finanzierung der Krankenhäuser wurde ebenfalls kritisiert. „In Deutschland sei vor allem das Finanzierungssystem der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) sowohl für Unter- als auch für Über- und Fehlversorgung verantwortlich, betonte Thomas Gerlinger, Gesundheitswissenschaftler der Uni Bielefeld. „Es ist daher dringend erforderlich, eine Alternative an die Stelle des DRG-Systems zu stellen.“
Politik setzt auf „gestaffeltes Verfahren“
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Professor Dr. Edgar Franke argumentierte für eine schrittweise Reform. „Die noch unter der Vorgängerregierung erfolgte Herausnahme der Pflegekosten aus den Fallpauschalen sei bereits eine historische Reform gewesen“, so der SPD-Politiker. „Als nächstes wird die Geburtshilfe erlösunabhängig und die Pädiatrie auskömmlich finanziert. Ein solch ausdifferenziertes System der DRG kann man nicht von heute auf morgen verändern – das muss schrittweise geschehen. Es werde „ein gestaffeltes Verfahren“ geben, bei dem die Personalbemessung PPR 2.0 ab 2023 erprobt und ab 2025 „scharf geschaltet“ werde. „Wir wollen damit einen Überlastungsschutz für Pflegekräfte sicherstellen“. Nachdruck zur verbindlichen Umsetzung wurde durch den >> Offenen Brief << der betrieblichen Interessenvertretungen von 356.000 Beschäftigten ausgeübt.
Die Ausbildung in der Pflege war ein weiteres beschäftigendes Thema der Tagung, mit Vorstellung der Ergebnisse des >> Ausbildungsreports Pflegeberufe 2021 << und einer allgemeinen Unzufriedenheit vieler Auszubildenden.
Heftige Kritik wurde an der Umsetzung des Pflegebonus geübt. Zahlreiche Beschäftigte wurden von der Bonuszahlung ausgeschlossen und es wurde ein Keil in die Belegschaft getrieben, so die Äußerungen der Interessenvertreter:innen.
Hier die Berichte zur Tagung: >> Viel in Bewegung << und >> Systemimmanente Fehlanreize <<
Der Handlungsdruck auf die Politik wächst
Über die Krankenhaustagung hinaus wird der Druck zum Handeln auf die Politik immer größer. Denn aktuell sind die Krankenhäuser bundesweit mit einem enormen Personalmangel und steigenden Kosten konfrontiert. Überstunden und Überlastung der Beschäftigten sowie Teilschließungen von Abteilungen sind keine Ausnahmen, sondern Alltag.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) warnte angesichts des Fachkräftemangels vor einem Zusammenbruch des Pflegesystems. „Wenn wir nicht schnell grundlegende Reformen bekommen, kann man die pflegerische Versorgung in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten“, sagte die Vorsitzende Christel Bienstein. Zwar sei es bereits in der Vergangenheit zu Pflegenotständen gekommen, etwa Anfang der 1990er Jahre, aber: „Eine vergleichbare Situation hat es in den vergangenen 50 Jahren nicht gegeben.“ Aktuell gehe man von 200.000 fehlenden Vollzeitkräften aus.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft DKG, Gerald Gaß äußerte sich: „In diesem Jahr haben die deutschen Krankenhäuser fünf Milliarden Euro ungedeckte Kosten, im kommenden Jahr werden es zehn Milliarden sein. Den Krankenhäusern fehlt dieses Geld, um die Gehälter auszahlen zu können. Jeder Tag, der vergeht, ist ein Tag, an dem die Konten der Krankenhäuser leerer werden.“
Die Krankenhausreform ist längst überfällig und Nachbesserungen zum Gesetzentwurf notwendig, um der mehr als angespannten Situation entgegen zu wirken.
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