70 Jahre Mitbestimmung

70 Jahre Arbeitnehmer im Aufsichtsrat

Auf das Angebot der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Sitz im Aufsichtsrat anzubieten, als Partner im Klassenkampf nach dem Krieg, notierte sich Hans Böckler, erster Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) „Wir dürfen eigentlich die Unternehmer keinen Augenblick unter sich lassen“.

Die deutsche Besonderheit der Mitkontrolle durch die Beschäftigten, mit der Hälfte der Sitze in Aufsichtsräten, besteht seit der gesetzlichen Festschreibung im Juni 1951, vor 70 Jahren.

Die Entwicklung startete mit wenigen Branchen

Zuerst galt die Regelung nur für die Branchen Kohle, Stahl und Montagebetriebe. 1976 wurde diese auf große Kapitalgesellschaften ab 2000 Beschäftigten ausgeweitet. Im Verlauf der folgenden Jahre war die Mitbestimmung immer wieder hart umkämpft.

Um die Jahrtausendwende geriet die Mitbestimmung in Kritik, Aufsichtsräte verhinderten keine überhöhten Vorstandsbezüge oder Managementfehler wie z.B. bei der Fusion Daimler – Chrysler oder die Brasilien-Affäre von VW.

Firmen gründeten Europäische Aktiengesellschaften SE um die Mitbestimmung zu umgehen, 2002 sank die Zahl der Firmen mit Aufsichtsräten von 770 auf 650.

Die Finanzkrise 2008 wurde wieder gemeinsam mit den Managern und Gewerkschaftern gemeistert.

Ist die Mitbestimmung ein Grundstein der sozialen Marktwirtschaft?

Laut dem Historiker und Gewerkschafter Wolfgang Jäger, ehem. Aufsichtsratsmitglied von Adidas und Thyssen Krupp findet durch die Mitbestimmung in Deutschland ein friedlicherer Strukturwandel als in anderen europäischen Ländern statt. Doch noch immer umgehen 300 Firmen mit zwei Millionen Arbeitnehmern die volle Mitbestimmung, wie z.B. die Großfleischerei Tönnies oder Elon Musk mit der Tesla Fabrik in Grünheide, so DGB Chef Reiner Hoffmann.

Stehen Zugeständnisse an Gewerkschafter an?

Aktuell äußerte sich der Kanzlerkandidat Armin Laschet auf einem Kongress der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema „Mitbestimmte Firmen sind stabiler und erfolgreicher, die Stellen sicherer, die Gehälter höher, es werden mehr Frauen in den Aufsichtsrat berufen und Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Ich will die Stärken der Mitbestimmung nutzen, um die Wirtschaft in die Zukunft zu transformieren.“

Ob Gewerkschafter zukünftig Zugeständnisse erwarten dürfen bleibt also abzuwarten.

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