Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind viele Themen auf der Welt mit einem Mal sehr klein geworden und erscheinen nichtig. Dennoch gibt es auch Themen, denen unserer Ansicht nach weiterhin eine große Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. So fällt unter anderem die aktuelle Belastung der Krankenhäuser durch Auswirkungen der Corona-Pandemie leider in der medialen Berichterstattung oft „hinten runter“.
Mitarbeitervertreter:innen aus Niedersachsens Diakonie schlagen Alarm
Auf unserem jüngsten Arbeitskreis Vorsitzende und Stellvertretungen, der vergangene Woche in Hannover stattfand, waren sich die anwesenden Krankenhausvertreter:innen schnell einig, dass die Situation in den Krankenhäusern aktuell dramatisch ist. Als Gründe dafür wurden zum einen die wieder steigenden Corona-Patient:innenzahlen genannt. Durch die massiv gestiegenen Inzidenzen landen zwar relativ gesehen immernoch wenig Patient:innen in den Krankenhäusern, in absoluten Zahlen ist die Menge aber schlicht herausfordernd. In den Medien wird immer wieder davon gesprochen, dass keine Überlastung des Gesundheitssystems droht, was meist an den niedrigen Zahlen der Corona-Intensivpatient:innen festgemacht wird. Die hohen Inzidenzen haben aber auch Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen, die häufiger durch Quarantäne, Krankheit oder nötige Kinderbetreuung wegen z.B. geschlossener Kitagruppen ausfallen.
In vielen niedersächsischen Kliniken ist der Krankenstand deutlich höher als normalerweise zu erwarten wäre, was nicht einmal auf Corona zurückzuführen ist. Nach den Erkenntnissen der Mitarbeitervertreter:innen sind viele Arbeitnehmer:innen ohne Corona-Bezug erkrankt. Dazu trägt sicherlich auch ein anhaltender Erschöpfungszustand nach den langen Belastungen der Pandemiezeit bei. Abseits der diakonischen Krankenhäuser musste beispielsweise das Klinikum Lüneburg zuletzt eine Station und einen OP-Saal sperren, da knapp 200 Arbeitnehmer:innen ausfielen.
Situation bundesweit eher noch schlimmer
Über den Tellerrand von Niedersachsen geschaut, ist die Situation sogar teilweise noch schlimmer. In einer Pressemitteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft spricht deren Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß davon, dass 90% der Krankenhäuser höhere Personalausfälle in den patientennahen Bereichen zu verzeichnen hätten, als sonst zu dieser Jahreszeit üblich wäre. In 40% der Krankenhäuser wären die Personalausfälle um 20% oder mehr höher als jahreszeitüblich. Dadurch müssten 75% der Kliniken ihr Leistungsangebot aktuell einschränken.
In Mecklenburg-Vorpommern hatte sich die Lage in den Krankenhäusern bereits in der letzten Woche so verschlechtert, dass Notaufnahmen zeitweise abgemeldet werden mussten. Als Übergangslösung sollen dort nun Medizinstudent:innen und Pflegeauszubildende den Personalnotstand abmildern.
Rettungsschirm ausgelaufen – finanzieller Druck stark gewachsen
Mit Beginn der vergangenen Woche lastet auf den Kliniken ein nochmals höherer finanzieller Druck, da die Hilfszahlungen des Corona-Rettungsschirms vom Bund eingestellt wurden. Damit lassen sich die material- und personalintensiven Maßnahmen des Infektionsschutzes und die für Corona-Patient:innen freigehaltenen Betten noch schlechter refinanzieren, als dies sowieso schon der Fall war.
Die Krankenhäuser werden mit den finanziellen Nöten in einem Hoch der Pandemie allein gelassen.
Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen
Das alles hat natürlich weitreichende Konsequenzen für die Arbeitnehmer:innen zur Folge. Die verbleibenden Kräfte werden über alle Maßen beansprucht, um dem wirtschaftlichen Druck standhalten zu können. Sie müssen den Spagat zwischen Personalnot und notwendigen Leistungsszahlen machen und auffangen, was den Kliniken durch die Politik aufdiktiert wurde. Dieser Weg wird nicht mehr lange funktionieren und stellt sich vielleicht schon in einigen Tagen oder Wochen als Sackgasse heraus. Erste Alarmzeichen sind mit der hohen Krankheitsquote schon sichtbar. Die Folgen wären weit über die Krankenhäuser hinaus zu spüren, denn die Gesellschaft profitiert von der hochwertigen Gesundheitsversorgung.
Die Politik muss nun schnell reagieren und umfassende Hilfen gewähren. Zudem bekräftigt diese Situation unseren Ruf nach umfassenden Reformen im Gesundheitswesen, um den Kliniken Planungssicherheit und den Arbeitnehmer:innen auch langfristig gute und vor allem nicht krankmachende Arbeitsplätze zu schaffen.