KiTas „Es geht nicht mehr“

In den KiTas „geht es nicht mehr“. An der Tagesordnung sind Notgruppen, Aufnahmestopps und verkürzte Öffnungszeiten. Durch den akuten Personalmangel besteht eine Gefährdung für Kinder und Beschäftigte in den Einrichtungen. Laut Gesetz besteht aber ein Rechtsanspruch auf öffentliche Betreuung für Kinder ab 2 Jahren. In der Realität ist dieser immer schwerer umsetzbar.

 „Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung.

Eine frühkindliche Bildung und der vorgeschriebene Betreuungsauftrag können allenfalls eingeschränkt umgesetzt werden. Und bei der mehr als angespannte Situation ist derzeit keine positive Entwicklung abzusehen, ganz im Gegenteil.

„Wir rechnen mit einem sich weiter verschärfenden Personalmangel, da der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis 2026 dazukommt“, sagt Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Deutschen Kitaverbandes.

Die Folgen wirken sich nicht nur direkt auf die betroffenen Kinder, Eltern und das Personal aus. Insbesondere durch die Einschränkung der Öffnungszeiten fehlen Beschäftigte in ihren Unternehmen, um ihre Kinder notgedrungen selbst zu betreuen.

97 Prozent der Beschäftigten sind gesundheitlich vom Personalmangel betroffen

Laut einer Studie der Krankenkasse DAK sind 97 Prozent der Beschäftigten in KiTas vom Personalmangel gesundheitlich betroffen. Aus den Einrichtungen werden ungewöhnlich viele Personalausfälle aufgezeichnet und zudem seien Beschäftigte keine anderen Berufsgruppe häufiger durch Erkrankungen des Atmungssystem oder aufgrund psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig.

„Es ist das eingetreten, wovor wir schon seit langem warnen: Das System beginnt zu kollabieren“, sagte ver.di- Landesleiterin Andrea Wemheuer im März in Hannover. Sie berichtete von extremen Situationen: In der Gemeinde Vechelde hätten 2023 an einzelnen Tagen – in einer Kita zwei Fachkräfte insgesamt 80 Kinder zu betreuen gehabt. In der Region Hannover könnten immer mehr Kommunen nur noch im Ausnahmefall eine Ganztagsbetreuung garantieren. „In der Regel endet der Kindergartentag dort um 14 Uhr – weil, das Personal fehlt“, so die Gewerkschafterin.

Daher fordert die Gewerkschaft einen bundesweiten KiTa Gipfel, bei dem das Kanzleramt die Verantwortung übernimmt und gemeinsam mit den Bundesministerien, den Ländern und den Kommunen Maßnahmen zur Stabilisierung und zum Ausbau des Systems entwickelt.

„Der Bund muss sich dauerhaft finanziell am Betrieb der KiTas und der Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte beteiligen. Ein Gute-KiTa-Gesetz nach dem anderen hilft da nicht weiter“, sagt Christine Behle, stellvertretende ver.di Vorsitzende.

Insbesondere in Hinblick auf die Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) warnt die Gewerkschaft davor, dass fachliche Qualitätsstandards weiter abgesenkt werden könnten.

Trauriger Rekord bei KiTa Schließungen in NRW

Einen traurigen Rekord stellt das Bundesland Nordrhein-Westfalen auf. Im Januar 2024 wurden wegen fehlendem Personal in NWR-KiTas 98 Schließungen gemeldet. Diese Zahl ist die höchste seit Beginn der Erfassung durch die Landesjugendämter des Bundeslandes. In NRW sind Unternehmen verpflichtet Unterschreitungen der Mindestpersonalausstattung den Jugendämtern anzuzeigen.

Bereits Ende letzten Jahres nahm der Personalmangel dramatische Ausmaße an. Demnach wurde im November 2023 bei fast der Hälfte der Unternehmen (rund 5.000 von 10.700) die Personalgrenze unterschritten. Ein Viertel der Einrichtungen musste einzelne Gruppen schließen und fast alle die Betreuungszeiten reduzieren.

Die Aufzeichnungen des Bundeslands verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf. Denn um unsere Zukunft sicher gestalten zu können, bedarf es einer umfangreichen Förderung von Kindheit an.