„Kollektive Gefährdungsanzeige“ der Kitas

Kitas melden SOS! Ende Mai übergab eine ver.di-Delegation eine »kollektive Gefährdungsanzeige« an die Konferenz der Jugend- und Familienminister : innen in Bremen – unterzeichnet von mehr als 27.000 Kita-Beschäftigten aus dem ganzen Bundesgebiet. >> Kitas: 27.000 melden SOS!

Beschäftigte machen auf die katastrophalen Bedingungen aufmerksam und fordern eine schnelle Abhilfe seitens der Regierung. Die Folgen des anhaltenden und weiter zu erwartend wachsenden Personal- und Fachkräftemangels werden immer deutlicher spürbar.

„Die allgemeine Erschöpfung in den Kitas zeigt sich in einer dramatischen Zunahme psychischer und anderer Erkrankungen“, erklärt Kirsten Axt, Erzieherin eines kirchlichen Trägers in Hamburg, „Wir fordern seit mindestens 20 Jahren Veränderungen in der Ausbildung. Jetzt kommt die Botschaft langsam an – aber viel zu spät.“

„Es braucht dringend mehr Personal – und zwar Fachkräfte. Zunehmend unqualifiziertes Personal einzustellen, wie es in Bremen und auch anderswo geschieht, ist der falsche Weg. Das bedeutet noch mehr Druck für die Fachkräfte, an denen die ganze Verantwortung hängen bleibt“, kritisiert Anja Sinsch, Sozialpädagogin eines freien Trägers in Bremen.

Die Forderungen der Beschäftigten lauten:

  1. Entlastende Sofortmaßnahmen: Professionelle Kräfte für Küche, Hausarbeit, Hausmeisterdienste und Verwaltung zur Entlastung der pädagogischen Fachkräfte.
  2. Stabilisierung des bestehenden Kita-Systems: Eine Verbesserung der Personalschlüssel für Fach- und Leitungskräfte würde wesentlich zu einer Stabilisierung beitragen.
  3. Stopp des Abbaus der Qualitätsstandards: Eine Vergrößerung der Gruppen und die Beschäftigung von unqualifiziertem Personal bedeuten ein Risiko für das Wohl der Kinder und ist eine zunehmende Belastung für die Fachkräfte.
  4. Veranstaltung eines bundesweiten Kita-Gipfels: Die Kita-Misere muss zur Chefsache werden. Bund und Länder sind gleichermaßen in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen, einen Maßnahmenkatalog für die Stabilisierung und den Ausbau des Systems zu entwickeln und die Verantwortung für dessen Realisierung zu übernehmen. Insbesondere in Hinblick auf die Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) warnt die Gewerkschaft davor, dass fachliche Qualitätsstandards weiter abgesenkt werden könnten.
  5. Beteiligung des Bundes: Der Bund profitiert maßgeblich von den Steuereinnahmen durch die Beschäftigung der Eltern. Er ist in der Pflicht, sich dauerhaft und in einem relevanten Umfang an der Finanzierung und der fachlichen Weiterentwicklung des Systems Kita genauso wie an der sozialpädagogischen Ausbildung zu beteiligen.
  6. Stufenplan zum Ausbau der Erzieher: innen-Ausbildung: Die Stabilisierung des Systems und der geplante Ausbau der Kitas funktionieren nicht ohne einen Stufenplan zum Aufbau des nötigen Fachpersonals. Beides muss miteinander synchronisiert werden. Dafür werden abgestimmte Pläne und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern benötigt.
  7. Geplanter und abgestimmter Kita-Ausbau: Der Ausbau des Kita-Systems zur Erfüllung der Bedarfe und Rechtsansprüche der Eltern ist durch den Bund und die Länder planvoll zu steuern.

Die Beschäftigten erwarten, endlich ernst genommen zu werden und dass Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht seien, miteinander Lösungen zu entwickeln, die die Gefährdungssituation für Kinder und Beschäftigte in den Kitas abwenden und die Grundlage dafür schaffen Bildungsprozesse zu ermöglichen, die sowohl für die einzelnen Kinder als auch für unsere demokratische Gesellschaft elementar sind.

Erste Bestrebungen bestehen auf politischer Ebene

Zur Jahreshälfte hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, sich über das Jahr 2024 hinaus an der Finanzierung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen (Auslauf der Verträge zum Jahresende) zur Verbesserung der Kita-Qualität zu beteiligen. Das Angebot einer guten Kita-Qualität liege in der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen, erklärten die Länder in Berlin. Der Bund müsse daher eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung sicherstellen und weitere Schritte zur Qualitätsverbesserung der Kindertagesstätten mit den Ländern abstimmen.

In Nordrheinwestfalen wird mit vier Kommunen und den Landesjugendämtern ein Modell zum sogenannten Qualifizierten Quereinstieg in die Kinderbetreuung (QiK) erprobt. Die Kosten werden zu 80 Prozent vom Land bezuschusst und weitere Zuschüsse sind von den Jobcentern und Arbeitsagenturen zu beziehen. „Es ist uns wichtig, dass wir keine Abstriche in der Qualität machen und jede teilnehmende Person eine hochwertige Ausbildung mit einem anerkannten Abschluss erhält“, sagt NWR Kinder- und Jugendministerin Josefine Paul in Düsseldorf. „Wir wollen angesichts der steigenden Personalbedarfe einen weiteren Zugang zu einer Tätigkeit in der frühkindlichen Bildung eröffnen und damit auch diejenigen, die bereits in unseren Kitas tätig sind, unterstützen und entlasten.“