Im Rahmen der aktuell stattfindenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hat sich der parteilose Weimarer Oberbürgermeister Peter Kleine mit einer doch sehr eigenwilligen Interpretation der verfassungsrechtlich gesicherten Koalitionsfreiheit positioniert. Er sprach den hauptamtlichen Mitarbeitenden der Gewerkschaft ver.di per Einschreiben ein Hausverbot für die Stadtverwaltung Weimar aus.
Auseinandersetzung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst stocken derzeit. Auch in der zweiten Verhandlungsrunde haben die Arbeitgeber kein Angebot präsentiert und ziehen die Verhandlungen damit unnötig in die Länge. Die Gewerkschaft ver.di fordert eine Entgelterhöhung von 8%, mindestens 350 € und 3 arbeitsfreie Tage. Für Auszubildende soll es 200 € mehr Vergütung geben. Zusätzlich ist die Einführung eines „Meine-Zeit-Konto“ gefordert. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Mitte März terminiert.
Druck auf Gewerkschaftsarbeit in Weimarer Stadtverwaltung
Mit dem Hausverbot für ver.di-Hauptamtliche hatte der Weimarer Oberbürgermeister den Versuch gestartet, Gewerkschaftsarbeit in seiner Stadtverwaltung unter massiven Druck zu setzen. Gerüchten zufolge wurden zudem Kolleg:innen der Stadtverwaltung aktiv aufgefordert, sich nicht an gewerkschaftlichen Aktionen zu beteiligen. Mittlerweile teilte Kleine allerdings mit, man habe sich „mit der Gewerkschaft geeinigt“ und das generelle Hausverbot sei aufgehoben. Dennoch müsse die Gewerkschaft sich schon rechtzeitig anmelden, um vor Ort Kontakt zu den Arbeitnehmer:innen aufnehmen zu dürfen.
Die Linke, allen voran der ehemalige Thüringer Ministerpräsident und neue Bundestagsabgeordnete Bodo Ramelow, kritisiert das Hausverbot scharf. Ramelow appellierte in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister: „Dass dieses seltsame und empörende Verhalten ausgerechnet in Weimar geschieht, ist mir völlig unverständlich, denn am 31. Juli 1919 wurde in der Weimarer Reichsverfassung das Recht auf Streik zum Verfassungsrang erhoben. Der Oberbürgermeister der Stadt Weimar ist Jurist und müsste den Begriff der Koalitionsfreiheit durchdrungen haben. Aber als Weimarer Oberbürgermeister sollte er auch den Geist der Weimarer Verfassung kennen und ein Gespür dafür haben, dass Verfassungsrecht nur dann lebt, wenn es auch praktiziert wird.“
Der Kritik schlossen sich auch die SPD und die Grünen an, wenn gleich sie diese nicht so scharf formulierten wie Ramelow und die Linken.
Weimar – besonders gewerkschaftsfeindlich?
Mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse rund um Gewerkschaftsaktivitäten in Weimar könnte langsam die Frage gestellt werden, ob Weimar eine besondere Gewerkschaftsfeindlichkeit an den Tag legt. Nicht nur in der Stadtverwaltung, sondern auch im Weimarer Sophien- und Hufelandklinikum wird mit aller Macht gegen die gewerkschaftlich organisierten Interessen der Arbeitnehmer:innen vorgegangen. Die dort tätigen Diakonie-Arbeitnehmer:innen fordern von ihrem Arbeitgeber die Verhandlung und den Abschluss eines Tarifvertrages um die aus der Zeit gefallenen Arbeitsrechtlichen Kommissionen des kirchlichen Arbeitsrechts durch eine zeitgemäße Aushandlungsmethode der Arbeitsbedingungen zu ersetzen. Die Frage, ob am Weimarer Klinikum gestreikt werden darf, liegt mittlerweile bei den Gerichten. Der nächste Verhandlungstermin ist jedoch erst für das vierte Quartal angesetzt.
Die notwendige formale Anmeldung für gewerkschaftliche Betätigung und eine Klage gegen angemeldete Streiks. Beides keine Glanzlichter im Umgang von Arbeitgebern mit den geäußerten Interessen ihrer Arbeitnehmer:innen. Hier trifft Bodo Ramelow tatsächlich den Nagel auf den Kopf, denn eigentlich ist Weimar die Keimzelle der verfassungsrechtlich zugesicherten Koalitionsfreiheit. Es liegt an den heutigen Akteuren, diese historische Bedeutung nicht mit Füßen zu treten und die Interessen der Arbeitnehmer:innen anzuerkennen.