Die Krise – der Kollaps!? in der sozialen Arbeit

Der Personalmangel in der Pflege und in den Kindertagesstätten, sowie die sich häufenden Insolvenzen sind inzwischen ein trauriger, fester Bestandteil in den Medien geworden. Und wie sieht es bei der Schulsozialarbeit, den Beratungsdiensten, den Migrationsdiensten und den viele weiteren Arbeitsfeldern im sozialen Sektor aus?

Diese stehen ebenfalls stark unter Druck, nur wird darüber in den Medien noch nicht so häufig berichtet. Ungünstige Arbeitsbedingungen und Personalmangel bestimmen und erschweren auch in diesen Bereichen den Alltag der Beschäftigten.

Das Deutschen Roten Kreuz (DRK) hat gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Krise im gesamten sozialen Sektor untersucht und in einer Studie zusammengefasst – „Vor dem Kollaps!? Beschäftigung im sozialen Sektor. Analysiert wurden die Schwerpunkte Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastungen, Altersstrukturen, Beschäftigungszeiten und Bezahlung. Derzeit arbeiten in der Sozialbranche insgesamt rund drei Millionen Beschäftigte in mehr als 100 Berufsgruppen.

Fazit der Studie – es sieht schlecht aus und es ist kaum Besserung in Sicht.

„Falls die Arbeitsbedingungen so bleiben, wie sie derzeit sind, dann führt dies zum kontrollierten Kollaps,“ sagt Joß Steinke, Abteilungsleiter der Jugend- und Wohlfahrtpflege beim DRK und Mitautor der Studie, „Das größte Risiko ist, dass grundlegende Leistungen der sozialen Daseinsvorsorge, die wir in unserem Wohlfahrtsstaat als selbstverständlich erachten, wegbrechen.“

Der Bedarf an Sozialarbeit steigt ständig, das Personal ist immer schwerer zu finden und die alternde Belegschaft wird den Personalmangel noch erhöhen. Daher zeigt die Studie für die nächsten Jahre eine Verschärfung der Probleme auf. Eine Besserung ist nicht in Sicht, wenn sich nichts ändert.

„Auf der betrieblichen Ebene müsse reagiert werden,“ sagt Autorin Jasmin Rocha, Research Managerin des DRK, „Einrichtungen und Dienste könnten heute schon Dinge in den Blick nehmen, zum Beispiel Weiterbildungen und mehr Mitgestaltung für die Beschäftigten. Die Dienstplangestaltung in den Pflegeeinrichtungen ist hierfür ein Beispiel. Auch könne man kreative Lösungen für die Schichtarbeit finden und Modelle entwickeln, wie sich die Arbeitszeit von Teilzeitkräften erhöhen lässt.

Steinke forderte eine bundesweite Meldestelle für Versorgungsmängel in der sozialen Arbeit – vergleichbar mit dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Würden Lücken benannt und dokumentiert, habe man einen Ausgangspunkt, um den Hebel für Verbesserungen anzusetzen. Er äußert, „Die Stellschauben werden immer enger gedreht, der Druck auf die Leistungen immer höher. Es ist ganz simpel: Irgendwann machen die Beschäftigten das möglicherweise einfach nicht mehr mit. Auf diese Gefahr weisen wir mit unserer Studie hin.“

Die Gewerkschaft ver.di wirft der Politik jahrelanges Versagen vor

Ver.di weist nicht nur auf die Krise hin, sondern spricht von jahrelangem politischem Versagen im Bereich der sozialen Arbeit. Die Folge: Bedürftige können nicht intensiv genug betreut werden und die Beschäftigten sind stark überlastet, weil jahrzehntelang mit unzureichenden Personalschlüsseln gearbeitet werde. Die notwendigsten sozialen Dienstleistungen können nur noch erschwert angeboten werden.

„Nun kollabiert dieses auf Kante genähte System“, betont die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. „Durch die Coronapandemie sind die Problemlagen der Familien, Kinder und Jugendlichen komplexer geworden und sie benötigen eine intensivere Begleitung bei ihren Problemen. Dass sie diese Unterstützung nicht bekommen, weil es viel zu wenig Beschäftigte gibt, ist eine Katastrophe.“

Die Gewerkschaft bezieht sich auf eine interne Studie sowie der „Recognize“ Umfrage in der Sozialarbeit. Hohe Leistungsanforderungen, Arbeitsverdichtung, unbezahlte Mehrarbeit und der Verzicht auf Pausen sowie Urlaub werden häufig von den Befragten angeführt. Das selbstgefährdende Verhalten hat physische und psychische Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Rund 60 Prozent der Befragten kommen häufig oder sehr häufig an den Rand ihrer Belastungsgrenze. Die Beschäftigten sind zerrissen zwischen den Bedürfnissen der zu Betreuenden, den Anforderungen der Einrichtungen und dem eigenen Wohlbefinden.

Auf allen Ebenen wird daher ein schnelles politische Handeln gefordert, um der Krise und einem Kollaps im gesamten Bereich der sozialen Arbeit entgegenwirken zu können.