Während und durch die Coronapandemie gab es viele, teilweise sehr schnelle Entwicklungen in der Arbeitswelt, die sie bis heute beeinflussen und dies auch nach Corona weiterhin tun werden. Auch die Mitarbeitervertretung bleibt davon nicht verschont und kann sich diesen Entwicklungen schlecht bis gar nicht entziehen.
Homeoffice, mobiles Arbeiten und Techniksprünge
Schon sehr früh in der Pandemie haben Arbeitgeber:innen angefangen, große Teile der betrieblichen Meetings und Zusammenkünfte von Präsenzveranstaltungen auf Onlinemeetings umzustellen. Ob Video- oder Telefonkonferenzen, eine dezentrale Kollaboration wurde immer mehr zum Standard. Sehr schnell wurden Softwarelizenzen angeschafft und Programme wie MS Teams, Zoom, StarLeaf, Skype for Business oder WebEx sind mittlerweile fast allen Arbeitnehmer:innen ein Begriff. Natürlich durfte auch die zugehörige Hardware nicht fehlen und so sind mittlerweile viele Konferenzräume in den Einrichtungen mit hybrider Tagungstechnik wie Großbildschirmen, Raummikrofonen und Lautsprechern ausgestattet.
Zudem wurde, spätestens mit dem durch die Verordnungen verpflichtenden Angebot, Homeoffice zum neuen Status Quo, zumindest für homeofficefähige Arbeitsplätze. Einige Arbeitgeber:innen haben dieses Angebot sogar noch ausgeweitet und gestatten nun auch die sog. „mobile Arbeit“, bei der es auf den Arbeitsort überhaupt nicht mehr ankommt. Wichtig ist nur noch eine stabile Internetverbindung und optional ggf. eine telefonische Erreichbarkeit.
Bei all diesen Veränderungen wurden die Mitarbeitervertretungen natürlich vorbildlich beteiligt, so z.B. bei der Einführung neuer Software (Mitbestimmung wg. Verhaltens- und Leistungskontrolle), der Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort (Mitbestimmung bei Dienstzeiten) oder wegen der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Naja, so zumindest die graue Theorie. Die Wahrheit ist: in den wenigsten Fällen wurden ordnungsgemäße Mitbestimmungsverfahren durchgeführt und vieles lief „unter dem Radar“. Für Mitbestimmung war laut Arbeitgeber:innen einfach keine Zeit, es musste ja schnell gehen.
Wo bleibt die MAV?
Wie schon bei den Mitbestimmungsverfahren macht es auch bei den Techniksprüngen den Eindruck, dass die Mitarbeitervertretung hier mehr oder weniger bewusst außen vor gelassen wird. Eine „Aufrüstung“ mit Laptops/Tablets/Webcams/Software im Bereich der Mitarbeitervertretung können wir nicht im gleichen Maß feststellen, wie sie bei allen anderen Büroarbeitsplätzen massiv betrieben wurde.
Dies liegt zum Einen sicherlich darin begründet, dass die Mitarbeitervertretungen vielerorts Präsenzsitzungen und eine entsprechende Arbeitsweise weiterhin bevorzugen. Dies passt auch zu unserer Position, denn viele Vorteile von Präsenzsitzungen (Nebengespräche; bessere Wahrnehmung von Mimik, Gestik und Intonation; intensivere Diskussionen) lassen sich digital nicht ebenso reproduzieren. Das non-plus-ultra bleibt also die Präsenzsitzung. Aber, was passiert, wenn dafür durch Corona die Voraussetzungen nicht mehr im ausreichenden Maß vorhanden sind? Wenn z.B. durch Arbeitgeber:innen kein ausreichend großer Sitzungsraum zur Verfügung gestellt wird, weil Abstandsgebote plötzlich eine maximale Personenanzahl für Räume definieren? Wenn einzelne MAV-Mitglieder zur Risikogruppe gehören und eine Präsenzteilnahme an den Sitzungen aufgrund der individuellen Risikoabwägung nicht geboten scheint?
Gesetzgeber hat alle Weichen gestellt
Schon früh in der Pandemie hat der kirchliche Gesetzgeber im MVG-EKD die Weichen gestellt und Sitzungen im Ausnahmefall teilweise oder sogar ganz als Videokonferenzen zugelassen. Unabhängig davon, dass wir Präsenzsitzungen weiterhin präferieren und auch der Gesetzgeber durch den Ausnahmefall hier eine deutliche Präferenz gesetzt hat, ist die Möglichkeit zur Videositzung damit eröffnet und die MAV kann mittels eigener Risikoabwägung darüber entscheiden, ob Videositzungen ganz oder teilweise zum Einsatz kommen.
Was bedeutet das für die Ausstattung der MAVen?
Da die Arbeitgeber in der Pflicht sind, alle für die Durchführung der Aufgaben notwendigen Sachmittel zur Verfügung zu stellen und die Kosten dafür zu tragen, zählt natürlich auch der Sachmittelbedarf für Videokonferenzen zur notwendigen technischen Ausstattung. Sprich: wenn die MAV eine Videokonferenz-Sitzung plant, muss für jedes per Video teilnehmende Mitglied (und im Zweifel sind das sogar alle MAV-Mitglieder) eine entsprechende technische Ausstattung gestellt werden. Dies dürfte in aller Regel ein Laptop mit Kamera und Mikrofon, mindestens aber ein entsprechendes Tablet sein. Kleinere Geräte, wie bspw. Smartphones sollten nicht für die Teilnahme genutzt werden, da dann geteilte Inhalte auf dem kleinen Bildschirm nicht ausreichend erkennbar sind.
Zum Thema der notwendigen technischen Ausstattung für MAVen hat sich Detlev Fey, Referent für Arbeitsrecht der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und selbsternannter „Onkel des MVG“ in der Zeitschrift für Mitarbeitervertretungen (ZMV – Ausgabe 04/2021) eindeutig geäußert:
Da die MAV die Möglichkeit hat, im eigenen Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie Sitzungen ausnahmsweise ganz oder teilweise digital durchführt, muss sie dafür auch die technischen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Die technische Ausstattung gehört zu den erforderlichen Sachmitteln der MAV. Die Kosten dafür sind daher von der Dienststellenleitung zu tragen. Das gilt nach MAVO wie MVG-EKD gleichermaßen. Jedes Mitglied der Mitarbeitervertretung, das an der digitalen Sitzung teilnehmen möchte, muss daher ein entsprechendes Gerät so rechtzeitig zur Verfügung gestellt bekommen, dass es ihm noch möglich ist, sich rechtzeitig vor der Sitzung mit dem Gerät und der Kommunikationssoftware vertraut zu machen.
Detlev Fey in „Digitale MAV-Arbeit“, ZMV 04/2021
Auch in der nächsten Ausgabe der ZMV finden sich hilfreiche Hinweise. So schreibt dort Ulrich Richartz, Geschäftsführer der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bistum Münster folgendes:
Solange die MAV die Möglichkeit hat, im eigenen Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie Sitzungen ausnahmsweise ganz oder teilweise digital durchführt, muss sie dafür auch die technischen Möglichkeiten
Ulrich Richartz in „Und was habt ihr so? – Die Austattung der Mitarbeitervertretung“, ZMV 05/2021
zur Verfügung gestellt bekommen.
Die Devise heißt: vorbereitet sein!
Auch wenn sich aktuell die Präsenzsitzungen vielleicht gut durchführen lassen und in der Mitarbeitervertretung keine Notwendigkeit zur Durchführung von Videositzungen gesehen wird, können sich die äußeren Umstände insbesondere durch die Coronapandemie sehr schnell ändern. Meist ist es dann in der Situation nicht mehr möglich, zeitnah ausreichende technische Ausstattung für alle MAV-Mitglieder von der Dienststellenleitung zu erhalten, auch wenn der theoretische rechtliche Anspruch darauf besteht. Deshalb sollten sich Mitarbeitervertretungen vorab Gedanken dazu machen, ob Videositzungen notwendig werden könnten und denkbar sind und ggf. rechtzeitig die notwendige technische Ausstattung beschaffen lassen. Alternativ sollte mindestens geklärt werden, über welche internen Wege kurzfristig technische Ausstattung zur Verfügung gestellt werden kann. Nur dann bleibt die Mitarbeitervertretung handlungsfähig und kann die Entscheidung über die Art der Sitzungsdurchführung wirklich unabhängig treffen.