Unter dem Thema „In guter Verfassung – Die Bedeutung der Demokratie für den Sozialstaat“ diskutierten rund 150 Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik beim diesjährigen Wichernempfang in der Genezarethkirche in Berlin-Neukölln über die wesentliche Funktion des Sozialstaats für die Demokratie.
Rechtsextreme behaupten, soziale Organisationen müssten sich politisch neutral verhalten, wenn sie öffentliche Fördergelder erhalten. Auf diese Weise soll Kritik an rassistischen, antisemitischen und antimuslimischen, an minderheiten-feindlichen und antidemokratischen Positionen und Äußerungen delegitimiert werden. Richtig ist, dass deutliche Kritik an solchen menschenverachtenden Positionen geradezu geboten ist. Wir verhalten uns gegenüber diesen Parolen nicht neutral. Im Gegenteil: ich meine, wir müssen sehr deutlich machen, welche verheerenden Folgen ein weiterer Zugewinn an Einfluss und an politischer Macht der extremen Rechten für unser demokratisches Gemeinwesen hätte.
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch
Gastredner war Stephan J. Kramer
Der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen, Stephan J. Kramer, war als Gastredner geladen und hat die Einladung nach eigenen Angaben gerne angenommen.
Die Weimarer Republik ist seinerzeit nicht an zu vielen Nazis gescheitert, sondern an zu wenigen Demokraten, die täglich das Wort für ihre – und das Possessivpronomen hat hier seinen Platz – Demokratie ergriffen hätten. Die Demonstrationen für die Demokratie und nicht gegen ‚Rechts‘ der letzten Wochen sind eine Ermutigung. Hinzukommen muss aber auch ein anderer Politikstil der Regierenden einerseits und ein deutlicheres Bekenntnis Aller zu unserer freiheitlichen Grundordnung im Alltag andererseits; bei Kommentaren im Kollegenkreis, in der Familie oder in den sozialen Netzwerken. Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, hängt von uns allen ab.
Stephan J. Kramer, Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen
Der Wichernempfang findet jährlich in Anwesenheit geladener Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik statt und beschäftigt sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Namensgeber ist der Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der als Begründer der modernen Diakonie gilt.
Kommentar: Wertvolle öffentliche Positionierung der Diakonie
Gerade in Zeiten, in denen Rechtsextremismus wieder stärker wird und vermehrt Angriffe auf den Sozialstaat als Unterstützungssystem für die sozial Schwachen unternommen werden, ist es wichtig, dass die Diakonie sich an die Seite dieser Schwachen stellt und damit in ihrer langen Tradition fortfährt. Dies gibt auch den Arbeitnehmer:innen der Diakonie eine Richtschnur, an der sie die eigene Haltung überprüfen und ausrichten können. Dies sollte auch die Interessenvertretung, die selbst ein demokratisches Amt ausübt, innerbetrieblich unterstützen. Die freiheitlich demokratische Grundordnung nimmt alle Menschen in den Blick, unabhängig von Herkunft oder sozialem Status. Damit dies so bleibt, muss rechtsextreme Tendenzen schon beim Aufkeimen widersprochen werden.