In einer kürzlich veröffentlichten Studie unterstreicht das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung die Bedeutung von Tarifverträgen für die Arbeits- und Lohnbedingungen der Arbeitnehmer in Deutschland. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Anzahl der tarifgebundenen Betriebe in den letzten rund 20 Jahren weiter abnehmend ist.
Tarifbindung verschlechtert sich weiter
In der Studie werden die aktuell ausgewerteten Zahlen mit denen aus dem Jahr 2000 verglichen. In 2000 waren deutschlandweit noch 44% der Betriebe tarifgebunden. Dadurch konnten sich 68% aller Beschäftigten in Deutschland auf einen Tarifvertrag verlassen. Diese Zahlen sind nun bis 2019 deutlich zurück gegangen. Nach den vom WSI errechneten Zahlen liegt die Tarifbindung bei den Betrieben in 2019 nur noch bei 27%. Bezogen auf die Beschäftigten sind noch 52% in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen.
Auch die Quote der Innerbetrieblichen Interessenvertretungen wird im Rahmen der Studie beleuchtet. Erschreckend ist, dass in 2019 ganze 71% der Betriebe weder einen Betriebsrat (oder vergleichbare Gremien) besaßen, noch einen Tarifvertrag anwandten. In 2000 war dies noch bei nur 53% der Betriebe der Fall. Hier ist also auch ein deutlicher Abfall zu verzeichnen, der nur zu Lasten der Beschäftigten gehen kann.
Studie vergleicht Kennzahlen mit und ohne Tarifbindung
Um die Bedeutung von Tarifverträgen herauszuarbeiten, vergleicht die Studie nachfolgend die Arbeits- und Lohnbedingungen bei tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Beschäftigten. Demzufolge liegt die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Betrieben wöchentlich 54 Minuten unter der von nicht tarifgebunden Beschäftigten. Beschäftigte ohne Tarifbindung verdienen zudem 11% weniger als die tarifgebundenen Beschäftigten. Diese Lücke wird in den neuen Bundesländern noch größer. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegt der Lohnunterschied schon bei 18%.
Insbesondere vor dem Aspekt des sich zuspitzenden Fachkräftemangels werden Tarifverträge und die mit ihnen verbundenen attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen an Bedeutung zunehmen. Warum sollte eine Fachkraft denn in einem nicht tarifgebundenen Betrieb arbeiten, wenn sie dafür auch eine Anstellung mit kürzerer Arbeitszeit und höherem Lohn in einem tarifgebundenen Betrieb wählen kann?
Niedersachsen schneidet noch überdurchschnittlich ab
Im deutschlandweiten Vergleich schneidet Niedersachsen in der Studie übrigens überdurchschnittlich ab. Tarifgebundene Betriebe machen hier mit 35% noch 8 Prozentpunkte mehr aus als bundesweit. Auch die Tarifbindung bei Beschäftigten liegt 4% über dem Bundesdurchschnitt von 52%.
Die Studie zeigt, dass wir mit unserem Tarifvertrag Diakonie in Niedersachsen auf dem richtigen Weg sind, um verlässliche und gute Arbeits- und Lohnbedingungen für unsere Beschäftigten zu sichern. Dennoch ist sie auch gleichzeitig eine Warnung, denn die bundesweite Entwicklung der letzten Jahre darf sich nicht fortsetzen.
Hier ist vor allem die Politik gefragt, die über entsprechende Regelungen neue Tarifverträge fördern und bestehende stärken muss. Dazu gehört auch, das Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung auszuweiten und häufiger in Anwendung zu bringen. Es bleibt zu hoffen, dass es dabei dann nicht wieder Caritas und Diakonie sind, die einer Ausweitung von Tarifverträgen entgegenstehen.
Die vollständigen Studienergebnisse können hier heruntergeladen werden: Hier klicken
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