Etwa jede fünfte Betriebsratsgründung wird behindert. Dies ist das Ergebnis einer Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im Bereich der Gewerkschaften IGBCE, IG Metall und der NGG. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf mittelgroßen, inhabergeführten Unternehmen. In diesen kommt es überdurchschnittlich häufig zu – leider auch erfolgreichen – Behinderungen bei der Betriebsratsgründung.
Behinderung trotz Straftatbestand
Die Be- oder Verhinderung von Betriebsratswahlen und Betriebsratstätigkeit ist ein Straftatbestand und kann mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden. Dies führt leider nicht dazu, dass diese Handlungen unterblieben. Offenbar ist die abschreckende Wirkung der Strafen nicht ausreichend. Im kirchlichen Bereich verhält sich die Angelegenheit noch etwas anders, da der Straftatbestand im Betriebsverfassungsgesetz geregelt ist, welches bekanntlich in kirchlichen Betrieben keine Geltung hat. Dementsprechend ist eine Behinderung der Arbeit der Mitarbeitervertretung zwar gleichsam durch das Mitarbeitervertretungsgesetz untersagt, jedoch nicht strafbewährt. Dies stellt eine merkbar schlechtere Voraussetzung in der Arbeit von Mitarbeitervertretungen gegenüber den weltlichen Betriebsräten dar und ist einer der Unterschiede, die schon länger zur Forderung nach Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auch im kirchlichen Bereich führen.
Befragung unter Hauptamtlichen der Gewerkschaften
Die Befragung unter den Gewerkschafter:innen ergab, dass 47 Prozent von ihnen zwischen 2020 und 2022 Fälle von Behinderung der Betriebsratsgründung kennen. Im Bereich der NGG lag der Wert bei 33 Prozent, bei der IG Metall bei 54 Prozent. Die IGBCE rangiert mit 44 Prozent ziemlich genau dazwischen.
Besonders häufig traten die Behinderungen in Betrieben mit 51 bis 200 Arbeitnehmer:innen auf. Dabei waren inhabergeführte Betriebe überproportional häufig betroffen. PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch, welche die Befragung durchführten, werten dies als Unwillen der Eigentümer, die Entscheidungsmacht in den von ihnen gegründeten Betrieben mit einer Arbeitnehmer:innenvertretung zu teilen. Zudem stellten sie fest, dass es bei Behinderungen durch Inhaber überdurchschnittlich oft in der Folge nicht zu einer Betriebsratsgründung kommt.
Eingriffe insbesondere bei Neugründungen fatal
Im Erhebungszeitraum fanden Wahlen zu über 8000 Betriebsräten statt, wovon 1,7 Prozent durch Eingriffe der Arbeitgeber beeinträchtigt wurden. Handelte es sich jedoch um eine gänzliche Neugründung von Betriebsräten, liegt die Quote mit 21,2 Prozent von 495 Neugründungen deutlich höher. Ist also erstmal ein Betriebsrat gewählt und besteht über eine gewisse Dauer, sinken die Eingriffe rapide ab. Behindert wird allerdings damit mehr als jede fünfte Neugründung von Betriebsräten.
Diese Erfahrungen können wir im diakonischen Bereich durchaus teilen. Dort wo Mitarbeitervertretungen bestehen, gibt es seltener Eingriffe der Arbeitgeber. Aber insbesondere bei Neugründungen von Mitarbeitervertretungen versucht ein kleiner Teil der diakonischen Arbeitgeber, die Wahlen zu ver- oder behindern. Dies geschieht durch die gleichen Maßnahmen, wie sie im weltlichen Bereich auch im Rahmen der Befragung festgestellt wurden. Insbesondere die Einschüchterung von potenziellen Kandidat:innen steht hier mit 62 Prozent in der Befragung ganz weit vorne im Repertoire der Arbeitgeber. Aber auch die Kündigung von Kandidat:innen oder Fälle von ausbleibenden Verlängerungen befristeter Verträge sind bekannt.
Fazit: wer Mitarbeitervertretungen gründen möchte, braucht Unterstützung
Alleine oder mit nur wenigen Personen kommt man in der Regel gegen dieses Störfeuer-Repertoire des Arbeitgebers nicht oder nur unter großem Aufwand an. Daher wird Unterstützung benötigt, die sowohl die Arbeitsgemeinschaften und Gesamtausschüsse der Mitarbeitervertretungen, aber auch die Gewerkschaften bieten können. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Vorgabe des Mitarbeitervertretungsgesetzes – „sind Mitarbeitervertretungen zu bilden“ – auch umgesetzt wird. Jegliche Störung bei der Gründung oder Wahl von Mitarbeitervertretungen ist zu unterlassen. Es wäre darüber hinaus absolut wünschenswert, wenn diese Handlungen auch im kirchlichen Bereich strafbar wären. Die vollständige Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes wäre hier das Instrument der Wahl.