Arbeitnehmer:innenvertretungen in der Diakonie: Überhört, übergangen, unterschätzt

Arbeitnehmer:innenvertretungen (MAVen) sollen den Beschäftigten in diakonischen Einrichtungen eine Stimme geben. In der Realität aber werden sie viel zu oft ignoriert, ausgebremst oder als unbequeme Kritiker abgestempelt. Dieser Umgang wirft ein Schlaglicht auf ein strukturelles Problem: Diakonische Arbeitgeber betonen ihre Werte nach außen – aber intern fehlt oft der Wille, diese Werte auch zu leben.

Mitbestimmung als Feigenblatt

Zwar sind Arbeitgeber verpflichtet, MAVen einzubeziehen. Doch statt echter Beteiligung erleben viele Vertretungen ein Mitbestimmungsmodell, das kaum mehr ist als ein Feigenblatt. Beispiele zeigen, wie das aussieht:

  • Dienstpläne werden erstellt, ohne dass die MAV rechtzeitig beteiligt wird – Arbeitnehmer:innen erfahren erst kurz vor knapp von Änderungen.
  • Digitalisierungsprojekte werden beschlossen, ohne dass jemand die zusätzlichen Belastungen im Blick hat. MAVen erfahren oft erst davon, wenn neue Software bereits eingeführt ist.
  • Personalabbau oder Umstrukturierungen werden hinter verschlossenen Türen geplant und anschließend als „alternativlos“ präsentiert.

So entsteht der Eindruck: Beteiligung ist reine Formalie, echte Mitbestimmung unerwünscht.

Arroganz statt Wertschätzung

Es ist ein alarmierendes Signal, wenn MAVen von Leitungen wie Störenfriede behandelt werden. Kritik wird dann nicht als Chance zur Verbesserung gesehen, sondern als Störung des Betriebsfriedens. Manche MAV-Mitglieder berichten sogar von subtilen Einschüchterungsversuchen – etwa durch Abwertung in Teamsitzungen oder Ausschluss von wichtigen Besprechungen. Wertschätzung? Fehlanzeige.

Schweigen erzwingen statt Zuhören ermöglichen

In vielen Einrichtungen gilt: Man hört die MAV zwar an, ändert aber nichts. Gerade bei Arbeitszeitregelungen zeigt sich dieses Muster: Wenn Arbeitnehmer:innen auf Überlastung hinweisen, bleibt die Standardantwort, „die Anforderungen lassen das nicht anders zu“. Solch ein Verhalten signalisiert: Kritik soll verstummen, nicht wirken. Damit wird Vertrauen systematisch untergraben.

Werte im Widerspruch zur Praxis

Die Diakonie wirbt mit Begriffen wie „Respekt“, „Nächstenliebe“ und „Verantwortung“. Doch solange Arbeitnehmer:innenvertretungen als Gegenspieler statt als Partner behandelt werden, bleiben diese Werte ein Lippenbekenntnis. Besonders deutlich wird der Widerspruch, wenn MAVen, die Missstände – etwa bei Überstunden, Personalmangel oder Arbeitsschutz – benennen, dafür als unbequem abgestempelt werden.

Fazit: Ohne Kurswechsel droht Glaubwürdigkeitsverlust

Der Umgang mit MAVen ist kein Randthema, sondern ein Lackmustest für die Haltung diakonischer Arbeitgeber. Wer Arbeitnehmer:innenvertretungen marginalisiert, zeigt, dass die eigene Wertebasis brüchig ist. Soll die Diakonie Vertrauen behalten, muss sie einen Kurswechsel einleiten: hin zu echter Mitbestimmung, ehrlichem Dialog und einer Kultur, in der Kritik nicht als Bedrohung, sondern als Chance verstanden wird. Alles andere ist Selbsttäuschung – und gefährdet langfristig nicht nur das Vertrauen der Arbeitnehmer:innen, sondern auch die Glaubwürdigkeit gegenüber der Gesellschaft.