In der 6. Verhandlungsrunde am 22. November konnten sich der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN) und die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund endlich auf einen Tarifabschluss einigen. Neben einer zweischrittigen linearen Lohnerhöhung und einer Inflationsausgleichszahlung wurde ein breit gefächertes Paket abgeschlossen. Insbesondere für die untersten Entgeltgruppen sind dabei über die Laufzeit Entgelterhöhungen von bis zu 26% enthalten.
Der Tarifabschluss im Detail:
- lineare Entgelterhöhungen von 5,5% ab 01. April 2024 und weiteren 4,5% ab 01. Februar 2025
- Laufzeit: 24 Monate (bis 31.08.2025)
- ein zusätzlicher Urlaubstag ab 2025
- zum 01. April 2024 einsetzende Veränderung der Tabellenstruktur mit Voraberhöhungen für die Entgeltgruppen 2 bis 7 und Einführung weiterer Erfahrungsstufen in E3 bis E5
- Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2450€ in vier Teilzahlungen: 1000€ im Dezember 2023, 450€ im Februar 2024, weitere 1000€ in zwei Teilzahlungen zwischen April und Dezember 2024 – Teilzeitkräfte erhalten die Prämie jeweils anteilig ihres Stundenumfangs
- Erhöhung der Ausbildungsentgelte um 100€ (April 2024) und 50€ (Februar 2025), Inflationsausgleichsprämie für Auszubildende in Höhe von 500€ im Dezember 2023 und 500€ im August 2024
- Tätigkeitszulage in Höhe von 120€ im Funktionsdienst der Krankenhäuser, bspw. OP, Anästhesie, ZNA oder Endoskopie
- Sozial- und Erziehungsdienstzulage in Höhe von 130€ (für E4 bis E8a) und 180€ (z.B. Sozialarbeiter:innen) in der Kinder- und Jugendhilfe, der Eingliederungshilfe, Wohnungslosennot-, Sucht- und Flüchtlingshilfe
- Verbesserte Eingruppierungen wie z.B. E4 statt E3 für Pflegehelfer:innen und Helfer:innen in der Eingliederungshilfe, E8 statt E7 für Pflegefachkräfte, Abschaffung der S1, S2 und E1 mit Eingruppierung in E2/E3
- Vertretungszuschlag für innerhalb von 48h vor Dienstbeginn freiwillig übernommene Dienste abweichend zum Sollplan: 100€ Mo.-Fr. von 6 – 22 Uhr und 120€ außerhalb dieser Zeiten, bessere Regelungen können betrieblich vereinbart werden
- Regelungen für Ärzte und Ärztinnen: geregelte Dienstplanaufstellung, Begrenzung der Bereitschaftsdienste und mehr Urlaubstage bei vielen Bereitschaftsdiensten
- Weitere vereinbarte Themen: Fahrradleasing, Jobticket-Zuschuss, Streichung des Kirchenaustritts als wichtigen Kündigungsgrund, Dienstjubiläum auch nach 30 Jahren, Mitgeltung der Ausbildungszeit zur Beschäftigungszeit
Die Tarifeinigung steht derzeit noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der jeweiligen Gremien des DDN, ver.di und des Marburger Bundes. Eine Ablehnung ist derzeit nach unserer Ansicht jedoch nicht zu erwarten.
Gewerkschaft ver.di und DDN bewerten Ergebnis positiv
Die Gewerkschaft ver.di weist in ihrem veröffentlichten Flugblatt auf die langen und zähen Verhandlungen hin, die erst im 6. Verhandlungstermin zum Abschluss kamen. Der Tarifabschluss mache deutlich, dass „gute Arbeitsbedingungen niemandem geschenkt werden“, so ver.di-Verhandlungsführerin Annette Klausing. „Im öffentlichen Dienst musste für einen guten Abschluss gestreikt werden.“ Die Gewerkschaft bedauert, dass ihre Ursprungsforderung nach Entlastung durch Maßnahmen zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei den Arbeitgebern keinen Anklang fand. Hier hätte „die Diakonie die Chance ergreifen können, wirklich innovativ und kreativ die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“
Dieser Ansicht können wir uns aus Arbeitnehmer:innensicht nur anschließen und müssen konstatieren: in Sachen Entlastung wäre hier deutlich mehr drin gewesen und auch die Verhandlungsdauer darf in der nächsten Tarifrunde durch effizientere Verhandlungen gerne kürzer gestaltet werden!
Der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN) schreibt in seiner Pressemitteilung mehrfach von einem „wegweisenden Abschluss“. „Der hohe Lohnabschluss im öffentlichen Dienst und bei unseren tariflichen Mitbewerbern wie auch der Fachkräftemangel haben uns zu einem sehr hohen Abschluss gezwungen“ wird Dr. Jens Rannenberg, DDN-Verhandlungsführer, zitiert. „Damit bleiben wir der führende Tarif in der Sozialbranche in Niedersachsen.“ Weiterführend äußert er Besorgnis vor einer finanziellen Überforderung von kleineren Einrichtungen und Unternehmen, die in 2024 durch den Abschluss Probleme bekommen könnten. Die schon länger geeinten Elemente, wie das Fahrradleasing und der Jobticket-Zuschuss werden aus DDN-Sicht „die Lebensqualität der Beschäftigten erhöhen“.
Dass der DDN nun in der Pressemitteilung ausgerechnet den hohen Abschluss im öffentlichen Dienst als Referenz heranzieht, verwundert uns. Aus Kreisen der ver.di-Tarifkommission war zu verlauten, dass die Arbeitgeber den TVöD in den Verhandlungen nicht als Referenztarifvertrag anerkennen wollten. Zudem wäre das Fahrradleasing wohl deutlich attraktiver geworden, wenn – wie von den Gewerkschaften vorgeschlagen – das Laden des E-Bike-Akkus am Arbeitsplatz im Tarif erlaubt worden wäre. Doch obwohl der DDN den Gewerkschaften mehrfach zu wenig Nachhaltigkeit vorwarf, fand dieser Vorschlag keine Zustimmung.
Die nächste Tarifrunde findet nun in 2025 statt. Wenn der positive Trend der gewerkschaftlichen Betätigung unter den Diakoniearbeitnehmer:innen sich bis dahin fortsetzt, könnte sich unsere Hoffnung auf eine kürzere Tarifrunde und ein noch innovativeres Ergebnis vielleicht erfüllen.