Die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften und Gesamtausschüsse im Bereich der Diakonie Deutschlands hat eine Stellungnahme auf ihrer Homepage veröffentlicht, die wir an dieser Stelle ungekürzt wiedergeben möchten. Ursächlich dafür sind die Planungen des Rates der EKD, das jüngst im November beschlossene und zum 01.01.2024 in Kraft getretene Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-EKD) im § 49 erneut zu ändern.
Stellungnahme der Bundeskonferenz
In der Vollversammlung am 29.02.2024 hat sich die Bundeskonferenz der Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen mit dem Entwurf für eine gesetzesvertretende Verordnung zur Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) befasst.
Die Bundeskonferenz nimmt hiermit zum Vorhaben des Kirchenamtes wie folgt Stellung.
Eine gesetzesvertretende Verordnung zur Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) wird abgelehnt. Die Bundeskonferenz
fordert die Einleitung eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mit der gebotenen
Anhörung zur Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes.
Die Bundeskonferenz fordert, das Mitarbeitervertretungsgesetz weitergehend zu überarbeiten.
Begründung:
Die Synode der EKD hat am 05. Dezember 2023 das aktuelle Mitarbeitervertretungsgesetz beschlossen. Dieser Beschluss erfolgte mit der Kenntnis, dass der vom Rat der EKD vorgelegte, vom Rechtsausschuss der Synode in Ulm geänderte Entwurf des MVG, zum Teil erhebliche Fehler beinhaltet. Nicht erst im Nachgang zur Novellierung, sondern schon im Gesetzgebungsverfahren ist von verschiedenen Seiten auf Probleme hingewiesen worden. Kirchenjurist:innen und Vertreter:innen der Mitarbeitervertretungen haben unter anderem auch auf § 49 Abs. 4 hingewiesen. Dennoch wurde die vorgelegte Fassung beschlossen. Nur wenige Wochen nach dieser bewussten Entscheidung der Synode, allen Auszubildenden den Anspruch auf Weiterbeschäftigung in den kirchlichen Betrieben einzuräumen, soll diese durch eine gesetzesvertretende Verordnung zurück genommen werden. Dies ist keine redaktionelle, sondern eine inhaltliche Änderung. Darüber hinaus soll eine Ausnahmeregelung für den Anspruch auf Weiterbeschäftigung aufgenommen werden, die bisher keine Rolle spielte. Der geplanten Ausnahmeregelung für den Anspruch auf Weiterbeschäftigung fehlt im Übrigen die Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Diese, im staatlichen Recht enthalten Beteiligung der Interessenvertretung, müsste ebenfalls aufgenommen werden. So ist auch § 42 um den Punkt
l) Ablehnung eines Antrages auf Weiterbeschäftigung nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses,
zu ergänzen.
Hierzu konnte bislang keine ausführliche Diskussion geführt werden. Nun soll diese Einschränkung im Schnelldurchgang durchgepeitscht werden.
Damit wird das wesentlich an Arbeitgeberinteressen ausgerichtete Mitarbeitervertretungsgesetz erneut auf Zuruf einiger Dienstgeber geändert. Es handelt sich um eine erhebliche materielle Änderung und nicht lediglich um eine redaktionelle Überarbeitung. Dies ist eine Missachtung der Synode. Dieses Vorgehen belegt, dass die EKD nicht ernsthaft an einem demokratischen Prozess interessiert ist, an dessen Ende Ausgleich unterschiedlicher Interessen stehen kann.
Es genügt nicht, die Regelungen zur Übernahme von Auszubildenden zu überarbeiten. Die Ende 2023 beschlossenen Änderungen enthalten zahlreiche Fehler und lassen Fehldeutungen zu, die dringend einer Korrektur bedürfen.
§ 21: Für die Änderung gibt es keinen Bedarf. Denn anders als in der Gesetzesbegründung angeführt hemmt das Erfordernis, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung einzuholen, die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB. Wäre dem nicht so, könnte bei Anrufung des Kirchengerichts nach endgültiger Zustimmungsverweigerung gem. § 38 Abs. 3 Satz. 6 MVG niemals eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
Die jetzt beschlossene Regelung führt aufgrund der Formulierungsschwäche zu Fehldeutungen, weil diese so verstanden werden kann, dass die Erklärung der Mitarbeitervertretung gem. § 38 Abs. 3 Satz 6 nach mündlicher Erörterung innerhalb der ersten – verkürzten – Frist abzugeben ist. Wenn überhaupt, dann wäre so zu formulieren: Wird die Frist gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 verkürzt, so gilt diese Verkürzung auch für die Frist gem. § 38 Abs. 3 Satz 6.
Eine solche Regelung sollte aber nicht aufgenommen werden, weil es wegen der Hemmung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB keiner derart gesteigerten Beschleunigung bedarf, durch die Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeitervertretung unangemessen beschränkt werden.
§ 34: Mit dieser Änderung wird die Feststellung des Kirchengerichtshofes vom 05. Dezember 2016, dass es zur Wahrnehmung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung notwendig ist, ihr zweimal jährlich die Bruttolohnlisten auszuhändigen, kassiert. Dieser Beschluss missachtet die Rechtsprechung und behindert die MAV bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Sie führt zu einem Mehraufwand durch mehrtätige Einsichtnahmen und schränkt die Rechte der Mitarbeitervertreter:innen die nicht Einsicht nehmen können, ein.
§ 38: Der aktuelle Wortlaut von Abs. 4 Satz 2 kann weiterhin dahingehend missverstanden werden, dass die Anrufung der Einigungsstelle in Regelungsstreitigkeiten nach
§ 40 nur dann angerufen werden kann, wenn eine Einigungsstelle besteht, also zuvor gebildet worden ist. Zum 01. Januar 2020 ist für Regelungsstreitigkeiten in Fällen des § 40 aber die verbindliche Einigungsstelle eingeführt worden. Zudem hat der Kirchengerichtshof mit seinem Beschluss vom 07. Dezember 2020 klargestellt, dass für Regelungsstreitigkeiten in Fällen des § 40 die Kirchengerichte nicht zuständig sind. Zur Klarstellung hätte der Halbsatz „wenn eine Einigungsstelle besteht“ gestrichen werden müssen.
§ 45: Es gibt keine Veranlassung, die Frist für die vom Arbeitgeber im Falle einer außerordentlichen Kündigung gegenüber der Mitarbeitervertretung abzugebende Begründung auf einen Monat auszudehnen. Diese Regelung belegt: der Mitarbeitervertretung werden (vgl. § 21) Steine in den Weg gelegt, während die den Arbeitgebern auferlegten Pflichten abgeräumt werden.
§ 60: Die nicht vollzogene Änderung des § 60 Abs. 6 suggeriert weiterhin, dass in den Fällen der Mitbestimmung das Kirchengericht über die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung entscheiden kann. Der Kirchengerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 07. Dezember 2020 aber bereits klargestellt, dass für Regelungsstreitigkeiten in Fällen des § 40 die Kirchengerichte nicht zuständig sind.
Die Änderung des MVG durch eine gesetzesvertretende Verordnung ist für die Bundeskonferenz nicht nach zu vollziehen und abzulehnen. Vielmehr sollte aus Sicht der Bundeskonferenz ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes eingeleitet werden. Nur so kann der kirchliche Gesetzgeber, die Synode, in die Lage versetzt werden, ihre handwerklichen und inhaltlichen Fehler zu korrigieren.
Stellungnahme der agmav Niedersachsen ist in die Stellungnahme der Bundeskonferenz eingeflossen
Trotz der sehr kurzen Stellungnahmefrist ist es uns als agmav Niedersachsen gelungen, eine eigene Stellungnahme an die Bundeskonferenz und landeskirchliche Vertreter:innen aus Niedersachsen zu formulieren und diese durch die Vollversammlung am 22. Februar ratifizieren zu lassen. Diese bezieht sich inhaltlich auf nahezu die gleichen Punkte. Federführend kritisierten wir die Kompetenzüberschreitung des Rates der EKD, der ohne Not die gesetzgebende Kompetenz der Synode übernimmt und gegen die ausdrückliche vorherige Entscheidung der Synode das Mitarbeitervertretungsgesetz ändern möchte.
Zum Download:
>>> Stellungnahme der agmav Niedersachsen
>>> Stellungnahme der Bundeskonferenz