In der Diakonie Mecklenburg-Vorpommern ist ein heißer Konflikt um Entgelte und die Arbeitszeit entbrannt. Arbeitnehmer:innen und die Gewerkschaft ver.di kritisieren die Arbeitsrechtsetzung auf dem sogenannten Dritten Weg, dem kirchlichen Sonderweg im Arbeitsrecht. Der NDR berichtet über die Auseinandersetzung.
Arbeitnehmer beklagt fehlende Wertschätzung und bemängelt Arbeitszeit
Ein Krankenhausmitarbeiter, der im NDR-Bericht nicht namentlich genannt werden möchte, beklagt die fehlende Wertschätzung. Trotz hohen persönlichen Einsatzes während der Coronakrise gab es für ihn weder eine Coronaprämie, noch einen Inflationsausgleich. Dazu kommt, dass die Vollzeit-Wochenarbeitszeit in den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Mecklenburg-Vorpommern immernoch bei 40 Wochenstunden liegt. Ein Absenkung wurde von den Arbeitgebern mehrfach mit Hinweis auf den Fachkräftemangel abgelehnt.
Die Gewerkschaft ver.di kritisiert, dass das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern das „letzte gallische Dorf“ des Nordens sei, welches weiterhin am Dritten Weg festhält. Nun mag dieser Vergleich etwas unpassend wirken, da die Gewerkschaft mit den Tarifverträgen sicher nicht dem römischen Imperium gleichzusetzen ist. Dennoch, die Aussage ist deutlich: der restliche Norden hat es verstanden und lässt die Arbeitsrechtsregelung auf dem Zweiten Weg, dem Tarifvertragsweg zustande kommen. Dieser sichert Arbeitnehmer:innen die wirksame Mitgestaltung von Arbeitsbedingungen zu und öffnet den Weg für Verhandlungen auf Augenhöhe, wie sie im Dritten Weg nicht möglich sind. Nicht ohne Grund hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitsrechtsetzung ohne Streikmöglichkeit mal als „kollektives Betteln“ bezeichnet.
Nordkirche geht anderen Weg und schließt Tarifvertrag ab
Bemerkenswert ist, dass die Nordkirche – zu der das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern gehört – für ihren eigenen, verfasst-kirchlichen Bereich, einen Tarifvertrag abgeschlossen und damit den Dritten Weg längst verlassen hat. Auch im diakonischen Bereich in Hamburg und Schleswig-Holstein, ebenfalls zur Nordkirche gehörend, gilt mit dem „Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie (KTD)“ ein Tarifvertrag. Im Nachbarbundesland Niedersachsen wird mit dem Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen ebenfalls der Zweite Weg beschritten. Es bleibt nebulös, warum die Diakonie Mecklenburg-Vorpommern sich gegen diesen Weg verwehrt.
Trotz Kritik: auch die Arbeitnehmer:innenseite der ARK arbeitet weiter
Trotz aller Kritik beteiligen sich Vertreter des Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen und der sogenannten Kirchengewerkschaft weiterhin auf Arbeitnehmer:innenseite am Dritten Weg und besetzen die Arbeitsrechtliche Kommission, in der die Regelungen „verhandelt“ werden. „Wir sind noch nie in einer Situation gewesen, dass wir Dinge in die Schlichtung gegeben haben, wir haben uns letztendlich immer geeinigt“, wird Jörg Autrum zitiert. Er ist Mitglied der Arbeitnehmer:innenseite der Arbeitsrechtlichen Kommission für den Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen. Fraglich bleibt, ob dies ein Qualitätskriterium darstellt. Der Rückhalt der Arbeitnehmer:innen für diese Zugeständnisse ihrer Verhandlungsseite schwindet jedenfalls. Vielleicht ist also auch von den Arbeitnehmer:innenvertretern der ARK ein Umdenken notwendig, um den Weg für einen Tarifvertrag zu ebnen.
Im Diakonischen Werk Mecklenburg-Vorpommern gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Mecklenburg-Vorpommern (AVR DW M-V). Diese weisen mit 40 Wochenstunden eine höhere Wochenarbeitszeit aus als die Wochenarbeitszeiten der regional umliegenden Tarifwerke. Zudem ist – trotz Anhebung der Entgelte in den vergangenen Jahren – das Entgeltniveau im Vergleich niedriger. So liegt beispielsweise das Einstiegsgrundgehalt einer Pflegefachkraft in Mecklenburg-Vorpommern bei 3.355,03 €, in Niedersachsen im TV DN bei 3.434,03 €. Bereinigt man nun noch den Unterschied zwischen 40 (AVR DW M-V) und 38,5 (TV DN) Wochenstunden, liegt die Differenz bei rund 200 €. Ähnliche Ergebnisse lassen sich auch in anderen Berufsfeldern erzielen.