Altenpflege-Tarif gescheitert! Beschäftigte durch kirchliche Eitelkeit verprellt

Nun ist passiert, was viele befürchtet hatten!
Am Donnerstag (25.02.2021) hat die Caritas sich gegen einen Flächentarifvertrag in der Altenpflege ausgesprochen und damit tausenden Beschäftigten in diesem Bereich die Aussichten auf deutliche Gehaltsverbesserungen zunichte gemacht.

Seit September 2020 hatten die Gewerkschaft ver.di und die Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) gemeinsam einen Tarifvertrag ausgehandelt, der u.a. bis 2023 den Mindestlohn im Altenpflegebereich um rund 25% angehoben hätte. Dieser Tarifvertrag sollte daraufhin gemäß des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) durch den Arbeitsminister Hubertus Heil als allgemeinverbindlich für die Altenpflegebranche erklärt werden. Ein Hoffnungsschimmer für alle Altenpflegekräfte!

Auf dem Weg zum allgemeinverbindlichen Flächentarif sollte es jedoch noch einige Hürden geben, von denen nun die erste leider schon gerissen wurde. Für eine Allgemeinverbindlichkeit müssen die kirchlichen Träger – Caritas und Diakonie – dieser vorab zustimmen. Eine entsprechende Klausel hatten Diakonie und Caritas bei der Neufassung des AEntG in 2009 in den Gesetzestext mit aufnehmen lassen, um sich ihre absolute Sonderrolle in der Arbeitsrechtssetzung zu erhalten. So entscheiden nun also Diakonie und Caritas über einen Tarifvertrag, der eigentlich im Einvernehmer mit Arbeitgeberseite und Gewerkschaft entstanden ist. Ein Vetorecht auf der Zielgeraden – kann das gut gehen?

Lippenbekenntnisse ohne Substanz

Angesichts der Tatsache, dass beide kirchlichen Träger in vielen ihrer Einrichtungen sowieso höhere Löhne zahlen als im neuen Tarifvertrag Altenpflege vereinbart und sich die im Tarifvertrag vereinbarten Löhne also nicht negativ auf die kirchlichen Träger ausgewirkt hätten, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Zustimmung von Caritas und Diakonie nur eine reine Formsache sei. Weit gefehlt! Mit der Ablehnung durch die Caritas und dem Verhalten der Dienstgeberseite der Diakonie wird deutlich, dass die vielerorts geäußerten Forderungen zu Verbesserungen im Pflegebereich reine Lippenbekenntnisse ohne Substanz waren. Die Chance, eine ganze Branche mit einem Schlag zu besseren Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung zu verhelfen, haben beide kirchlichen Träger grandios in den Sand gesetzt.

Rolle der Diakonie

Klar ist, dass viel vom öffentlichen Unmut nun an der Caritas hängen bleibt. Diese hat schließlich mit ihrer Entscheidung vom Donnerstag den Ausschlag zum Scheitern gegeben. Aber auch die Diakonie kommt in dieser Angelegenheit alles andere als gut weg, hatte sie doch ihren Sitzungstermin – nachdem er ursprünglich ebenfalls am Donnerstag geplant war – kurzfristig auf den Freitag gelegt. Ein Schelm, wer da böses denkt und womöglich noch unterstellt, die Diakonie wollte erst die Entscheidung der Caritas abwarten. Am Ende spielte genau dies der Dienstgeberseite der Diakonie in die Karten, die sich am Freitag laut ARK-Dienstnehmerseite einer Abstimmung zum ihrer Ansicht nach nun überflüssigen Themas entzog. Interessant, dass in diesem Fall der einseitigen Verweigerung natürlich keine Abstimmung stattfinden konnte. Hatten wir eine solche Konstellation nicht mit genau gegensätzlicher Rechtsauslegung durch die Dienstgeberseite vor einigen Jahren? Damals waren die Dienstgeber doch der Meinung, sie könnten bei Verweigerungshaltung auch allein entscheiden…

Fakt ist: die Diakonie hat dank der Verweigerung der Dienstgeberseite nicht über die Allgemeinverbindlichkeit entschieden und damit die einmalige Chance vertan, trotz der Aussichtslosigkeit des Themas ein Zeichen an alle Pflegekräfte zu senden und sich selbst als Arbeitgeber in ein besseres Licht zu rücken. Stattdessen versteckt man sich hinter der Entscheidung der Caritas.

Noch Anfang des Monats hieß es doch:

„Gerade die aktuelle Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig gute Pflege ist. Angesichts der demografischen Entwicklung und einer alternden Gesellschaft ist eine nachhaltige Verbesserung nötig.“

Pressemitteilung der Diakonie vom 01. Februar 2021

Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte

Genau diese längst überfälligen nachhaltigen Verbesserungen sind nun vom Tisch, zerstört von der Eitelkeit und dem beharren auf alten Rechten seitens Caritas und Diakonie. Die Haltung dieser beiden großen Träger ist für uns und wahrscheinlich alle Mitarbeiter im Altenpflegebereich absolut nicht nachvollziehbar. Sie gleicht einem Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte, die tagtäglich aufopfernd für ihre Bewohner sorgen und dies oft für einen so niedrigen Lohn tun, dass sie im Alter dann wieder in den Dunstkreis von Caritas und Diakonie befördert werden: nämlich in Suppenküchen, Sozialkaufhäusern und anderen Einrichtungen zum Auffangen von denjenigen, die trotz lebenslanger Vollzeitarbeit im Alter nicht ausreichend versorgt sind.

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