In einer landesweiten Aktion schreiben gerade etliche Arbeitnehmer:innen aus diakonischen Betrieben Protest-Postkarten an ihre Arbeitgeber. Sie möchten ihrem Unmut Luft machen und die Arbeitgeber damit auffordern, in den Tarifverhandlungen zum Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen ein konkurrenzfähiges Angebot zu machen.
Arbeitnehmer:innen vom Arbeitgeberangebot enttäuscht
Die Postkarten bringen zum Ausdruck, dass die Arbeitgeber ihre Situation am Arbeitsmarkt in den bisherigen Verhandlungen falsch einschätzen. Bisher sind Arbeitnehmer:innen noch bereit, in der Hoffnung auf einen guten Tarifabschluss, weiterhin bei der Diakonie tätig zu sein. Diese Hoffnung schwindet jedoch zusehends. Nicht zuletzt deshalb bieten einige Postkarten auch die Möglichkeit, gleich ein Arbeitszeugnis zur Vorlage bei Bewerbungen zu beantragen.
Hintergrund: Auch in der dritten Verhandlungsrunde am 21. September konnten sich die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund nicht mit dem Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN) einigen. Insbesondere in der Höhe und dem Zeitpunkt der linearen Gehaltserhöhung waren die gegenseitigen Vorstellungen zu weit voneinander entfernt. Die Arbeitgeberseite brach den 14-stündigen Verhandlungsmarathon schließlich gegen Mitternacht ab.
Abbruch der Arbeitgeber lässt viele Fragen unbeantwortet
Dies führt nun in den diakonischen Betrieben zu vielen offenen Fragen, die neben den Gewerkschaftsmitgliedern auch die Mitarbeitervertretungen erreichen:
- Wie wahrscheinlich ist es, dass es noch in diesem Jahr Entgelterhöhungen geben wird?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass die Entgelterhöhungen die Inflation von rund 8% in 2022 und 6% in 2023 auffangen?
- Warum erkennen die Arbeitgeber nicht, dass ihnen die Konkurrenz – z.B. TVöD – tariflich davon läuft?
- Warum weigern sich die Arbeitgeber, die volle Inflationsausgleichszahlung von 3000€ zu leisten?
Kann es zu Streiks kommen?
Nicht zuletzt wird oft gefragt: „Wann dürfen wir eigentlich streiken?“ Zumindest diese Frage lässt sich leicht beantworten. Im TV DN ist eine Schlichtungsvereinbarung enthalten, die in einem Tarifkonflikt vor einen möglichen Streik das Scheitern der Schlichtung setzt. Sollten sich die Gewerkschaften also weiterhin nicht mit dem DDN einigen können und eine von beiden Seiten erklärt die Verhandlungen für gescheitert, wird die Schlichtung angerufen. Wird das Schlichtungsergebnis dann abgelehnt, sind die Verhandlungen final gescheitert und der Weg in den Streik ist eröffnet. Die Bereitschaft zu streiken wird auch auf den Postkarten deutlich.
Seitens der agmav Niedersachsen verfolgen wir die Tarifverhandlungen mit großem Interesse und hoffen auf ein Einlenken und ein deutlich verbessertes Angebot der Arbeitgeberseite im nächsten Verhandlungstermin am 24. Oktober. Sollte es nicht dazu kommen, ist der Weg zu einem eventuellen Streik unserer Ansicht nach noch einmal kürzer geworden. Mit einem Streik geht naturgemäß auch eine höhere mediale Präsenz einher. Ob dies im Sinne der Arbeitgeber und im Sinne der Diakonie Niedersachsen ist, wagen wir zu bezweifeln.