Katholische Bischöfe beschließen überarbeitete Grundordnung

Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands hat am 22. November eine überarbeitete Grundordnung, umgangssprachlich oft „das katholische Arbeitsrecht“ genannt, beschlossen. Ziel der Überarbeitung war, die arbeitsrechtlichen Grundlagen der Arbeitnehmer:innen der katholischen Kirche zu reformieren und zu modernisieren. Insbesondere die Eingriffe in die persönliche Lebensführung wurden zuletzt massiv kritisiert und sind daher auch größtenteils aus der Grundordnung verbannt.

Eingriff in persönliche Lebensführung wird reduziert

In der zugehörigen Mitteilung auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz wird als einer der neuen Leitsätze folgender genannt: „Der Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegt keinen rechtlichen Bewertungen und entzieht sich dem Zugriff des Dienstgebers.“ Damit rückt die Mitteilung einen wirklichen Fortschritt der neuen Grundordnung in den Mittelpunkt. Bisher war Arbeitnehmer:innen katholischer Einrichtungen beispielsweise die Wiederheirat nicht gestattet. Auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft darf nun gelebt werden, ohne dass die katholische Kirche daraus arbeitsrechtliche Maßnahmen ableitet. Nicht zuletzt die Kampagne #outinchurch, bei der sich queere Personen im kirchlichen Dienst outeten, hat hier zu einem Umdenken geführt.

Wichtige Reformschritte fehlen – Tarifverträge?

Zwar ist mit den beschriebenen Fortschritten deutliche Bewegung der katholischen Kirche zu sehen, allerdings sind andere Bereiche des katholischen Arbeitsrechts weiterhin so rückschrittig, wie sie schon vor der Überarbeitung der Grundordnung waren. So lässt die Grundordnung zwar die gewerkschaftliche Betätigung in den Betrieben zu und sichert den Gewerkschaften ihre verfassungsrechtlich sowieso zugesicherten Rechte auch durch Kirchenrecht zu, aber der Abschluss von echten Tarifverträgen in der katholischen Kirche bleibt nach der Grundordnung weiter untersagt. Damit bleibt eine echte und chancengleiche Aushandlung von Arbeitsbedingungen in der katholischen Kirche weiterhin unmöglich und der unsägliche 3. Weg mit allen arbeitnehmer:innenunfreundlichen Konsequenzen wird weiter verfolgt.

Kirchliche Dienstgeber schließen keine Tarifverträge mit tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) ab.

Grundordnung der katholischen Kirche vom 22. November 2022

Wichtige Reformschritte fehlen – Kirchenaustritt?

Auch der Austritt aus der katholischen Kirche kann im laufenden Arbeitsverhältnis weiterhin zur Kündigung führen. Selbst ein Austritt vor Beginn des Arbeitsverhältnisses reicht aus, um zur Nichteinstellung zu führen. Die katholische Kirche versperrt sich also weiterhin großen Teilen des Arbeitnehmer:innenmarktes und verzichtet aufgrund einer persönlichen Lebensentscheidung auf die Beschäftigung dieser Personenkreise. Dabei ist es durchaus gut vorstellbar, dass sich Menschen mit den Werten des Christentums identifizieren, aber zum Beispiel aufgrund der zahlreichen Missbrauchsvorfälle keine Verbundenheit mit der Institution Kirche mehr empfinden. Dies wäre aus unserer Sicht ethisch absolut nachvollziehbar. Es führt allerdings zu dem Kuriosum, dass Personen, die die Missbrauchsvorfälle kritisieren und daraus eine persönliche Austrittsentscheidung ableiten, nun von der katholischen Kirche abgelehnt werden. Die Kirche stößt diejenigen weg, die die Missbrauchsfälle kritisieren. Ob dieses Vorgehen das richtige Zeichen ist? Wir wagen es zu bezweifeln.

Bei katholischen Mitarbeitenden führt der Austritt aus der katholischen Kirche in der Regel zu einer Beendigung des der Beschäftigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses.

Grundordnung der katholischen Kirche vom 22. November 2022

Auf Dauer dürfte diese Position der katholischen Kirche bei schwindenden Mitgliedszahlen und sich zuspitzendem Arbeitskräftemangel sowieso nicht haltbar sein. Eine aufgrund von Personalmangels geschlossene katholische Einrichtung hilft jedenfalls nicht bei der Verkündigung und nützt keinem caritativen Zweck.

ver.di kritisiert die Grundordnung und nimmt Gesetzgeber in die Pflicht

Die Gewerkschaft ver.di kritisiert in einer Pressemitteilung die Grundordnung und findet deutliche Worte.

Die beschlossene Reform ist völlig unzureichend. Es darf nicht länger akzeptiert werden, dass die katholische Kirche in die Lebensführung ihrer Beschäftigten eingreift, Menschen diskriminiert und ihnen weiterhin grundlegende Rechte verweigert.

Sylvia Bühler, Mitglied des ver.di Bundesvorstandes

Sie nimmt dabei den weltlichen Gesetzgeber in die Pflicht und fordert deutlich dazu auf, dem Wildwuchs bei der kirchlichen Gesetzgebung ein Ende zu setzen.

Die rund 25.000 karitativen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen finanzieren sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Trotzdem dürfen die katholischen Arbeitgeber mit Billigung des Staates ihren Beschäftigten Rechte vorenthalten, die in jedem anderen Betrieb gelten. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag die Prüfung des kirchlichen Sonderrechts vereinbart. Die Bischöfe haben erneut gewichtige Argumente für ein Eingreifen des Gesetzgebers geliefert. Die Bundesregierung muss die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

Sylvia Bühler, Mitglied des ver.di Bundesvorstandes

Ob der Gesetzgeber diesem Aufruf folgt und wenn ja, wie tief er in die kirchlichen Privilegien eingreift, bleibt abzuwarten. Die Forderungen der Gewerkschaft ver.di schließen sich zumindest nahtlos an die Resolution der 20. Fachtagung für kirchliches Arbeitsrecht an, über die wir hier in der vergangenen Woche berichteten.