ver.di übergibt Unterschriften gegen kirchliches Arbeitsrecht

Am Dienstag hat die Gewerkschaft ver.di übr 37.000 gesammelte Unterschriften zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts an den SPD-Bundestagsabgeordneten Mathias Papendieck, Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales, übergeben. Die Gewerkschaft fordert damit nachdrücklich dazu auf, die Ausnahmen für Kirchen und ihre caritativen Einrichtungen aus den weltlichen Gesetzen zu streichen und u.a. das Betriebsverfassungsgesetz zur Anwendung zu bringen. Die Prüfung des kirchlichen Arbeitsrechtes hatte sich die Regierungskoalition in den Koalitionsvertrag geschrieben, wirkliche Verbesserungen blieben aber laut ver.di aus.

Kirchen suchen den Schulterschluss untereinander

Passend dazu suchen die Kirchen derzeit den Schulterschluss und haben sich – ebenso am Dienstag – mit einer gemeinsamen Presseerklärung von Evangelischer Kirche Deutschlands, der Deutschen Bischofskonferenz, des Deutschen Caritasverbandes und der Diakonie Deutschland zu Wort gemeldet.

Darin heißt es, das kirchliche Arbeitsrecht würde „zu guten Ergebnissen führen“. Sie möchten klarstellen, dass die Vergütung der Beschäftigten in Kirchen, Caritas und Diakonie höher sei als die anderer Beschäftigter. Außerdem sei die flächendeckende Interessenvertretung durch Mitarbeitervertretungen gegeben, was im weltlichen Bereich nicht der Fall sei. Weitere Äußerungen treffen sie zum Dritten Weg, oder der Unternehmensmitbestimmung in der Diakonie und der Caritas.

Aussagen der Presseerklärung halten eingehender Überprüfung nicht stand

Schauen wir uns die Aussagen der Presseerklärung genauer an, kommen wir jedoch nicht umhin, das rosarot gemalte Bild der Kirchen zu verwässern und den gepredigten Wein zurück zum Wasser zu verwandeln:

  • „Zudem profitieren die kirchlich Beschäftigten von tariflich vereinbarten Vergütungen, einer betrieblichen Altersversorgung und sozialen Zusatzleistungen. Über den Dritten Weg der Kirchen im Arbeitsrecht wird eine flächendeckende Tarifbindung kirchlicher Einrichtungen erreicht, die auch kleinere und mittlere kirchliche Einrichtungen erfasst.“
    Diese „tariflich vereinbarten Vergütungen“ sind keinesfalls mit echten Tarifverträgen gleichzusetzen. Sie entfalten keine Normative Wirkung, sondern müssen individuell durch den arbeitsvertraglichen Bezug erst in Kraft gesetzt werden. Zudem gibt es einen Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Landeskirchen der Bundesrepublik, der keinesfalls ein einheitliches Niveau abbilden kann. Erst kürzlich hatte das Bundesarbeitsgericht beispielsweise festgestellt, dass aufgrund der AVR nicht von den Vorgaben des Entgeltfortzahlungsgesetzes abgewichen werden darf, da die AVR keine von der dort enthaltenen Öffnungsklausel erfassten Tarifverträge sind. (Urteil vom 05.10.2023, 6 AZR 210/22) Die AVR bieten daher lange nicht die gleiche Qualität wie echte Tarifverträge.
  • „Streik und Aussperrung fallen im Dritten Weg nicht ersatzlos weg. An ihre Stelle tritt ein Vermittlungsverfahren, das im Streitfall auch zu weiterführenden und verbindlichen Ergebnissen führt.
    Doch, Streik und Aussperrung fallen ersatzlos weg. Das Zwangs-Schlichtungsverfahren als gleichwertiges Verfahren zum klassischen Arbeitskampf zu bezeichnen, ist schlicht nicht richtig. In Tarifkonflikten ist eine Einigung immer an die Zustimmung beider Seiten geknüpft. Dies ist durch die zwangsläufige Schlichtung mit verbindlichem Ergebnis in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen völlig ausgehebelt und ein Ergebnis kann auch völlig gegen den Willen einer Partei erzielt werden.
  • „Anders als in säkularen Betrieben gibt es in annähernd allen kirchlichen Einrichtungen Mitarbeitervertretungen. Deren Rechte sind auf vergleichbarem Niveau wie die Befugnisse von Betriebs- oder Personalräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz beziehungsweise den Personalvertretungsgesetzen.
    Die reine Existenz von Gremien sagt noch nichts über deren tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit aus. An entscheidenden Stellen sind die kirchlichen Mitarbeitervertretungen mit schwächeren Rechten und weniger Durchsetzungsmöglichkeiten ausgestattet, als Betriebs- oder Personalräte. Die Behinderung von Betriebsräten ist im Betriebsverfassungsgesetz als Straftatbestand deklariert. Im kirchlichen Bereich bleibt dieser Tatbestand nahezu folgenlos für die behindernden Personen.
  • „Die für diakonische Unternehmen ab 500 Beschäftigten auf den Weg gebrachte Unternehmensmitbestimmung ist ferner wegweisend für den gemeinnützigen Sektor in Deutschland. Sie ist Teil von Reformen im Arbeitsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihrer Diakonie, die Ende 2023 als Ergebnis mehrjähriger Vorarbeiten durch Änderungen im Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen und in der Mitarbeitsrichtlinie der EKD beschlossen wurden.“
    Die auf den Weg gebrachte Unternehmensmitbestimmung ist völlig rückständig und es ist noch gänzlich unklar, wie sie tatsächlich aussehen wird. Der fälschlicherweise im MVG-EKD aufgenommene Passus, der richtigerweise in ein seperates Gesetz gehört hätte, verlagert die Verantwortung zur Einführung gänzlich auf das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung und lässt auch noch eine lange Frist bis zur tatsächlichen Inkraftsetzung zu. Die inhaltliche Ausgestaltung liegt nun in der Verantwortung eines Dachverbandes, in dem über die beteiligten Diakonischen Werke der Landeskirchen letztlich alle Einrichtungen – und damit alle Einrichtungsleitungen – beteiligt sind und maßgeblichen Einfluss haben. Der Dachverband ist in seiner Aufgabenausübung zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgebern nicht neutral, sondern nimmt häufig sehr arbeitgebernahe Positionen ein. So gelang es 2017 aufgrund interner Widerstände schon nicht, eine verbindliche Unternehmensmitbestimmung einzuführen. Stattdessen gab es eine juristisch völlig wirkungslose „Verbandsempfehlung“, die nachfolgend kaum umgesetzt wurde.

Man könnte diese Liste der Argumente nun noch weiterführen, aber schon die genannten Punkte reichen aus, um festzustellen: die von den Kirchen proklamierte Gleichwertigkeit ihres Arbeitsrechtes ist nicht gegeben. Insofern erscheint es nur folgerichtig, dass wir uns der gewerkschaftlichen Forderung nach Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechtes anschließen und sie erneut bekräftigen möchten.